DZB-NACHRICHTEN
Hrsg.
von der Deutschen Zentralbücherei für Blinde zu Leipzig
(DZB)
Nr. 2 /2003 März/April
13. Jahrgang
Inhalt
Vorbemerkung
Postecke
Die
DZB im Jahr
2002
Einblicke
Entwurf
zum neuen
Urheberrecht
Wie
war das
damals?
Wie
die Kriegsblindenbetreuung in Deutschland begann (Teil
2)
Die
Kramkiste
Pristawkin,
:
Schlief
ein goldnes
Wölkchen
Marie
von Ebner-Eschenbach:
Krambambuli.
Autorenporträt
Georges
Simenon
Bücher
des
Jahrhunderts
Graham
Greene: Das Herz aller
Dinge
LOUIS
Das
Kursbuch der Deutschen Bahn und der Nahverkehr auf
CD-ROM's
Info-Service
Mitteilung
zum
Zahlungsverkehr
Leipziger
Buchmesse
Schließzeiten
der DZB
2003
Das
Heimgesetz jetzt auch in Blindenschrift
erhältlich!
Blinde
Autofahrer bitte
melden!
Fahrschulen
und blinde Passagiere
gesucht!
Plattdeutsches
in
Blindenschrift
Berlinale:
Die Kino-Hits der
Zukunft
Anzeigen
Impressum
Vorbemerkung
Die Überführung der DZB in den Staatsbetrieb ist auch in
dieser Ausgabe wieder Thema, schließlich sind damit doch einige
Umstellungen verbunden. Bitte lenken Sie in diesem Zusammenhang Ihre
Aufmerksamkeit auch auf die
Mitteilung zum
Zahlungsverkehr im
Info-Service.
Erfahrene DZBN-Abonnenten sind außerdem sicher auf den
Jahresbericht unseres Direktors gespannt. Es ist immer wieder
interessant, wenn die Arbeit eines ganzen Jahres in einer kurzen
Zusammenschau präsentiert wird.
Interessantes bahnt sich auch mit dem neuen Urheberrecht an. Was es
damit auf sich hat, verrate ich Ihnen in unserer Rubrik
»
Einblicke«.
Es grüßt herzlich
Ihr Karsten Sachse.
Postecke
Die Veröffentlichungen sind nicht identisch mit der
Redaktionsmeinung. Aus redaktionellen Gründen müssen wir uns
Kürzungen vorbehalten. Wenn Sie keine Veröffentlichung
wünschen, vermerken Sie dies bitte.
Staatsbetrieb und DAISY
»(...) vielen Dank für die Neujahrswünsche. Auch wenn
Sie jetzt Staatsbetrieb geworden sind und nicht mehr ganz so mit dem
Geld rechnen müssen, werde ich Sie trotzdem weiterhin mit einer
Spende unterstützen. (...)
Die neue DAISY-Form für Hörbücher finde ich sehr gut.
Die Tonqualität ist sehr gut, es gibt kein Rauschen und Leiern
von Bändern mehr, kein Wechseln von Kassetten. Ich kann es den
älteren Hörbuchlesern nur empfehlen, sich auf das neue
DAISY-System umzustellen. (...)«
[Kurt Eiselt, Annaberg]
BEMERKUNG DER REDAKTION
Derzeit wird unser Zahlungsverkehr nicht mehr über die
Landesoberkasse in Chemnitz abgewickelt, ab sofort sind wir selbst
dafür zuständig und müssen demzufolge auf
Kosten-Nutzen-Rechnung, Doppelte Buchführung usw. umstellen.
Hinzu kommen Fragen wie die Klärung der Umsatz- bzw.
Mehrwertsteuer, Erstellung einer Eröffnungsbilanz usw., usw. - so
viel gerechnet wurde hier noch nie, und daran wird sich wenig
ändern. Auf Ihre Spendenbereitschaft werden wir demzufolge auch
zukünftig angewiesen sein, das wird auch im nachfolgenden
Jahresbericht unseres Direktors deutlich.
Blindenstenografie
»(...) Als aufmerksamer Leser der DZB-Nachrichten gehe ich stets
von sorgfältigen Recherchen der jeweiligen Autoren aus. Dass das
offensichtlich nicht immer der Fall ist, verdeutlicht meines Erachtens
der Beitrag aus der Feder von Dr. Günter Thiele Abriss zur
Entwicklung der Blindenstenografie (DZBN Nr. 6/02). Meine
folgenden Anmerkungen dazu beschränken sich auf einige Angaben
zur Entwicklung der Achtpunkte-Stenografie.
Alfred Seyfarth aus Berlin war wohl der Erste, der intensiv mit acht
Punkten experimentierte. Er ließ sich 1932 sogar eine
entsprechende Maschine bauen. Fritz Storm aus Düsseldorf hatte
davon erfahren und initiierte nach dem zweiten Weltkrieg 1951 eine
erste Konferenz in Meschede unter der Leitung von Prof. Dr. Carl
Strehl. Ziel der Beratungen war die Entwicklung einer
Achtpunkte-Steno-grafie, wobei die sich abzeichnenden hervorragenden
Beschäftigungsmöglichkeiten für Blinde in
Büroberufen durchaus Pate standen.
Inzwischen war bekannt, dass jenseits der noch nicht ganz
undurchlässigen Grenze eine Siebenpunkte-Stenografie von
Karlheinz Möbius im Entstehen begriffen war. Die Überlegung,
dass im deutschen Sprachraum ein einheitliches System angestrebt
werden sollte, veranlasste zu einer Einladung, die jedoch wohl eher
aus ideologischen Gründen als aus sachlichen Erwägungen
nicht beantwortet wurde. Die sieben Punkte wurden dennoch aufmerksam
analysiert.
In den folgenden Jahren wurden alle Vorschläge zur Entwicklung
einer Achtpunkte-Stenografie immer wieder in der Praxis erprobt und
schließlich 1961 als System verabschiedet. Wer an einer
ausführlichen Dokumentation interessiert ist, kann sich an die
Deutsche Blindenstudienanstalt in Marburg wenden. Dort steht Material
zur Verfügung, das Auskunft über die gesamte Entwicklung
gibt.
Wissenswert ist aber vielleicht noch, dass 100 Silben in der
Sechspunkte-Stenografie 112 Anschläge im Durchschnitt erfordern,
in der Achtpunkte-Stenografie dagegen nur 80. Allein diese Zahl
lässt die Effektivität des Systems mit acht Punkten leicht
erkennen.
Voraussetzung für die Anwendung des Systems waren natürlich
Maschinen, die den technischen Anforderungen entsprachen. Karl Neubert
aus Offenburg bot ein Gerät an, das durch seine
Zuverlässigkeit und Geräuschlosigkeit bestach. Die Deutsche
Blindenstudienanstalt konnte sich aus finanziellen Gründen zu
keiner Neukonstruktion entschließen, sondern erweiterte - wie
Karl Neubert auch - ihre Maschine mit 6 Punkten durch Hinzufügung
der Punkte 7 und 8 zur Achtpunktemaschine.
Während sich Karl Neubert am Prinzip der Picht-Maschine
orientiert hatte, war die Marburger Maschine von der Siemens-Maschine
beeinflusst worden.
Karl Neubert hat meines Wissens auch die Siebenpunkte-Maschine gebaut.
Inwieweit Karlheinz Möbius daran beteiligt war, weiß ich
nicht. Ich weiß aber, dass er den Doppelhub nicht erfunden hat.
Der wurde nämlich zufällig schon viel früher in Marburg
entdeckt.
Schließlich möchte ich noch hinzufügen, dass es neben
den Streifenschreibern auch Blattschreiber wie die
österreichische Achtpunkte-Tafel und entsprechende Bogenmaschinen
gab und gibt.
Damit will ich als Mitgestalter der Entwicklung mein
Gedächtnisprotokoll beenden, nicht aber ohne den Hinweis, dass
die gründliche Kenntnis historischer Zusammenhänge Gegenwart
und Zukunft stets befruchten. (...)«
[Erich Eiben, Frankfurt/M.]
Mondphasen
»(...) seit Jahren bin ich Bezieher Ihrer Taschenkalender der
Versionen A und B. Vorab sei gesagt, dass ich beide Kalender, sowohl
von der Handhabung als auch gestalterisch und inhaltlich, sehr gut
finde. Dies gilt besonders für die Version B, die mit dem leeren
Zwischenblatt eigene Notizen ermöglicht.
Als Verbesserung bzw. Ergänzung möchte ich Ihnen
vorschlagen, künftig auch die Mondphasen anzugeben. Dies
ließe sich m. E. leicht realisieren. Man könnte z. B.
hierzu die Punkte 4, 5 und 6 verwenden. Diese Punkte würden dem
jeweils zutreffenden Tag vorangestellt. Hierzu bietet sich der
Leerraum vor der Tageszahl an.
Beispiel im Januar: Punkt 4 vor 2 = Neumond; Punkt 5
vor 10 = Halbmond; Punkt 6 vor 18 = Vollmond.
(...)«
[Gerhard Freunscht, Weisendorf]
BEMERKUNG DER REDAKTION
Vielen Dank für Ihren Vorschlag. Wir haben einige Tests
durchgeführt und festgestellt, dass diese Variante beim
allgemeinen Lesen von Links nach Rechts zu Irritationen führen
kann. Wir haben dann getestet, wie es sich mit der Lesbarkeit
verhält, wenn man die »Mondpunkte« unter die
betreffende Tageszahl setzt. Dabei haben einige
»Probanden« gar nicht registriert, dass da noch was
drunter stand - sie sind vom üblichen Lesen der Zahlen
ausgegangen und haben »nur oben« die Zahlen gelesen. Die
Kennzeichnung der Mondphasen hat also offensichtlich nicht
gestört. Das gab den Ausschlag - und darüber wird sich
sicher auch Herr Karl-Otto Häßler aus Mühlhausen
freuen (siehe Postecke 2003-1).
Der DZB-Taschenkalender 2004 Version B wird erstmals auch über
die einzelnen Mondphasen informieren. Auf die unterschiedliche
Darstellung von zunehmendem und abnehmendem Halbmond wird allerdings
verzichtet, da sich dieses Stadium aus der Logik ergibt. Die
Kennzeichnung der einzelnen Mondphasen erfolgt unterhalb der
betreffenden Tagesziffer durch die Punkte 3 und 6. Dabei bedeuten 3+6
= Vollmond, 3 = Halbmond, 6 = Neumond.
Die DZB im Jahr 2002
Dr. Thomas Kahlisch
Rückblickend auf 2002 ist die endgültige Klärung des
Status der DZB natürlich die wichtigste Meldung dieses Berichtes.
In Heft 1/2003 wurden die Leserinnen und Leser der DZBN bereits
über die Errichtung der DZB als sächsischer Staatsbetrieb
ausführlich informiert.
Nachfolgend werden die Ergebnisse unserer Arbeit im Jahr 2002
zusammengefasst und bewertet. Eine Haushaltssperre der Sachmittel von
40% stellte dabei im vergangenen Sommer das einschneidendste Ereignis
im Haushaltsjahr dar. Ohne Einsatz von Spendenmitteln, die wir Dank
der großzügigen Unterstützung unserer Nutzer erhalten
haben, wäre es zu erheblichen Rückgängen bei der
Übertragung und Aufsprache von Literatur gekommen. Die
gestiegenen Materialkosten, allein Punktschriftpapier hat sich in den
letzten 18 Monaten um 25% verteuert, müssen aus den Sachmitteln
bezahlt werden. Nur durch die Verwendung der Spendenmittel gelang es,
die gesetzten Ziele zu erreichen, Pläne zu erfüllen und
erforderliche Investitionen vorzunehmen. Die Spendennachweise und ein
Dankeschön wurden kürzlich an alle Spender versandt, die die
DZB im vergangenen Jahr mit mehr als 20 unterstützt haben.
Selbstverständlich gilt unser Dank auch den Spendern, die uns
kleinere Beträge zukommen ließen. Sie haben sicher
Verständnis dafür, dass wir, um Portokosten zu sparen,
Spendenbescheinigungen erst ab einer bestimmten Höhe versenden.
Für dieses Jahr sind ebenfalls erhebliche Haushaltssperren
angekündigt, und so muss hier deutlich gesagt werden, dass Ihre
finanzielle Unterstützung - liebe Leserinnen und Leser -
weiterhin dringend erforderlich und für die DZB eine wichtige
Voraussetzung ist, Bücher und Zeitschriften in gewohnter
Qualität anzubieten.
Doch nun zu Ereignissen, Fakten und Zahlen aus dem vergangenen Jahr.
Mit Lisa Ney und Anneliese Behr gingen 2002 zwei langjährige
Mitarbeiterinnen in den Ruhestand. Frau Ney war 19 Jahre die
Beauftragte für den Haushalt der DZB. Frau Behr arbeitete
insgesamt 32 Jahre in der DZB. Sie wurde 1991 die Leiterin der
Abteilung Verwaltung/ Versand.
Mit dem Ausscheiden der beiden Kolleginnen erfolgte eine
Zusammenlegung der Abteilungen Finanzen und Verwaltung. Frau Evelin
Rissel ist seit 1. August Verwaltungsleiterin und Haushaltsbeauftragte
der DZB.
Die Kolleginnen des Versandes sind jetzt in die Abteilung Bibliothek
integriert und sorgen gemeinsam mit den Bibliothekstechnikern
dafür, dass alle Bücher- und Zeitschriftensendungen
pünktlich auf die Reise gehen, Rücksendungen unserer Nutzer
schnell geprüft werden, wieder in die Magazine gelangen und damit
für die weitere Ausleihe zur Verfügung stehen.
Die Bibliothek verzeichnete auch für 2002 wachsende Leserzahlen
und ein auf über 100.000 Sendungen gestiegenes Ausleihvolumen. Im
Bestand der Bibliothek befanden sich zum Jahresende 2002 9.538
Punktschrifttitel, 5.315 Braillenotenwerke und 7.531
Hörbücher. In der wissenschaftlichen Bibliothek des
Blindenwesens wuchs der Bestand 2002 um 234 neue Monografien. Autoren,
Studierende, Auszubildende und andere vielseitig Interessierte Leser
nutzen das Angebot dieser Spezialbibliothek.
Die Kataloge der Hörbücherei und der Katalogteil
Belletristik der Punktschrift-bibliothek sind jetzt nicht nur in
Blindenschrift und Schwarzschrift verfügbar, sondern auch
kostenfrei im Internet herunterzuladen.
Neu seit September 2002 ist die DAISY-Buchausleihe. Als Testausleiher
begannen 28 Interessierte die neue Hörbuchgeneration zu nutzen.
Am Ende des Jahres waren es bereits 127 Hörer. Wie groß das
Interesse an DAISY ist, zeigt sich in der Anzahl von 670
Beratungsgesprächen, die Herr Ulrich Jander via Telefon und
Internet allein im zweiten Halbjahr 2002 zu diesem Thema geführt
hat. Natürlich läuft auch die Ausleihe der DAISY-Bücher
computergestützt. Außerdem können alle Nutzer der
Hörbücherei jetzt wählen, ob sie neue Titel auf
Kassette oder auf DAISY-CD-ROM erhalten wollen.
Das Angebot an DAISY-Büchern ist natürlich noch begrenzt,
jedoch gilt seit Sommer 2002, dass alle Neuproduktionen des Studios
sowohl analog als auch digital verfügbar sind. Eine aktuelle
Titelliste und allgemeine Informationen zu DAISY befinden sich im
Internet unter
www.dzb.de/daisy.
Im Studio wird parallel an der Digitalisierung analoger Bestände
gearbeitet. Eine sehr arbeitsintensive Aufgabe, die bei über
7.000 Titeln gewiss noch einige Jahre andauern wird.
Da auch andere Hörbüchereien wie die NBH in Hamburg und die
WBH in Münster die DAISY-Buchproduktion und -Ausleihe aufgenommen
haben - ab 2003 bietet auch die SBS in Zürich verstärkt
Werke an - wird die Anzahl der Titel schnell wachsen und das neue
Medium zu einem hochwertigen und vielfältigen Informationsangebot
ausgebaut.
Wie die Mitarbeiter in der Bibliothek mitteilten, sind die Hörer
begeistert und loben die hohe akustische Qualität und die
einfache Benutzbarkeit der Bücher.
In Sachen DAISY kann die DZB noch auf ein weiteres und dieses Mal
internationales Highlight verweisen. Die in der DZB produzierte
Zeitschrift "Die Gegenwart", herausgegeben durch den Deutschen
Blinden- und Sehbehinderten-Verband, DBSV, erscheint seit Januar 2003
auch im DAISY-Format. Der große Erfolg einer Test-CD im
September 2002 ermutigte uns zu diesem anspruchsvollen Schritt auf
neuen Wegen. Auf der monatlich erscheinenden CD-ROM sind neben der
gesprochenen Fassung der Zeitschrift auch verschiedene elektronische
Textfassungen enthalten. Der Nutzer kann wählen, ob er die
Gegenwart im HTML-Format, in Blindenkurzschrift, einer für
sehbehinderte Leser geeigneten PDF-Fassung mit Bildern oder, bei ganz
alten Computersystemen auch in einfacher Textform anzeigen kann. Ab
Sommer 2003 wird die DAISY-Gegenwart die Diskettenfassung
vollständig abgelöst haben.
Die in Eigenredaktion herausgegebenen 16 Zeitschriften der DZB werden
derzeit noch nicht im DAISY-Format angeboten. Es wird von unseren
technischen und finanziellen Möglichkeiten abhängen, wann
wir hier erste Angebote machen können und das bequeme Navigieren
und gezielte Suchen in DZBN oder Ratgeberzeitschriften zum Alltag
unserer Abonnenten gehören wird.
Das breite Verlagsangebot fand auch 2002 großen Anklang.
Besonders zu nennen sind hier: unsere Kalender, die neuen Kataloge,
Lehrbücher für die Blindenschrift, alle bislang
verfügbaren Karten des Europaatlas, die in 15
Punktschriftbänden erschienene Gesamtausgabe des Romans
»Der Herr der Ringe« und das Reliefbilderbuch
»...als die winzige Wühlmaus Wanda...«.
Im Jahr 2002 wurden von der DZB insgesamt 126 Titel in Blindenschrift
und 118 als Hörbuch übertragen. Dies ist eine Steigerung der
Produktion um ca. 10% gegenüber dem Vorjahr.
Erstmals seit 1996 wurden auch wieder Braillenotentitel hergestellt.
Frau Kathrin Pause, seit Sommer 2001 ist sie mit dieser Aufgabe
betraut, hat bislang 13 Titel fertiggestellt.
Die Erarbeitung des Europaatlas wurde mit Kartensätzen zu den
Benelux-Staaten, Dänemark, Österreich, Polen, Schweiz und
Tschechische Republik fortgesetzt.
Neue Reliefkinderbücher wie »Meine Finger finden
Unterschiede und Gemeinsamkeiten« oder »Vom Maulwurf und
seinen Freunden« erweitern das Angebot für unsere jungen
Leser. Die Bilder für diese beiden Bücher wurden, wie
übrigens inzwischen alle Reliefvorlagen, dank der über das
Projekt MUSTER durch Spendengelder finanzierten Technik am PC
gezeichnet und am Schneidplotter geschnitten. Die tastbaren
Abbildungen werden auf transparenter Folie erstellt und mit einer
farbig bedruckten Seite unterlegt. So entstehen Bücher, die
sowohl für Blinde, aber auch für Sehbehinderte oder Sehende
geeignet sind. Im Vergleich zu der beim Wandkalender verwendeten
Siebdrucktechnik ist dieses neue Verfahren wesentlich
kostengünstiger und kann ohne die Inanspruchnahme von
Fremdleistungen in der DZB ausgeführt werden.
Wichtige Termine der Öffentlichkeitsarbeit waren 2002 die
Leipziger Buchmesse und
die Messe RehaKomm in Berlin. Auch in diesem Jahr wird sich die DZB
vom 20. bis 23. März mit einem großen Stand auf der
Leipziger Büchermesse präsentieren: Halle 3, Stand H216.
Besucher können erfahren, wie blinde Menschen lesen, was es neues
aus unserem Verlag zu vermelden gibt und wie sich die neue
Hörbuchgeneration DAISY weiterentwickeln wird.
2002 gab es ausnahmsweise zwei Tage der offenen Tür in der DZB.
Am 14. Mai präsentierte sich das Haus Vertretern der Politik in
Sachsen und vielen Gästen und Freunden aus der
Blindenselbsthilfe. Im Mittelpunkt stand das Ringen um den Status der
Einrichtung. Eindrucksvoll belegten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
Vertreter der Politik und andere Gäste der Veranstaltung, wie sie
sich zukünftige Medienversorgung für Blinde und
Sehbehinderte vorstellen und welche Entwicklungsmöglichkeiten die
DZB dabei hat.
Der schon traditionelle Tag der offenen Tür am ersten
Septemberwochenende fand ebenfalls großen Anklang. Besonders ist
hier eine Veranstaltung in der Cafeteria zu nennen, in der
Sprecherinnen und Sprecher von Hörbüchern und Zeitschriften
über ihre Arbeit informierten. Insgesamt kamen 450 Besucher an
den beiden Tagen der offenen Tür. In 37 weiteren Führungen
besichtigten 416 Personen die DZB.
Mit »Hörbuch hautnah« organisierte Susanne Siems in
der Villa Rochsburg eine bunte Veranstaltung rund um das Hörbuch.
Im Mai konnte der Direktor der DZB in einer Präsentation die
Mitglieder des Verwaltungsrates des DBSV von den Vorteilen und
Einsatzmöglichkeiten digitaler Hörbücher
überzeugen. Ausgehend von dieser Veranstaltung hat der Siegeszug
des neuen Mediums nun auch in Deutschland endlich Fahrt aufgenommen.
Eine Entwicklung, die sich 2003 fortsetzen wird. Natürlich wird
auch in diesem Jahr DAISY ein wichtiges Thema in der DZB sein. Daneben
gibt es Pläne, die begonnene Braille-Notenherstellung mit einem
zusätzlichen Projekt DaCapo weiter aufleben zu lassen und im
Bereich des Brailledruckes neue Investitionen zu tätigen. Wenn,
ja wenn dem neuen Staatsbetrieb die dafür beantragten
finanziellen Mittel bereitgestellt werden. Die Leser der DZBN werden
es als Erste erfahren.
Einblicke
Entwurf zum neuen Urheberrecht
Karsten Sachse
Im »Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der
Informationsgesellschaft« der Bundesregierung ist u. a.
folgender Passus enthalten:
»§ 45a
Behinderte Menschen
(1) Zulässig ist die nicht Erwerbszwecken dienende
Vervielfältigung eines Werkes für und deren Verbreitung
ausschließlich an Menschen, soweit diesen der Zugang zu dem Werk
in einer bereits verfügbaren Art der sinnlichen Wahrnehmung auf
Grund einer Behinderung nicht möglich oder erheblich erschwert
ist, soweit es zur Ermöglichung des Zuganges erforderlich
ist.
(2) Für die Vervielfältigung und Verbreitung ist dem Urheber
eine angemessene Vergütung zu zahlen; aus-genommen ist die
Herstellung lediglich einzelner Vervielfältigungsstücke.
Der Anspruch kann nur durch eine Verwertungsgesellschaft geltend
gemacht werden.«
Soweit der Text aus dem Gesetzesentwurf. In den
Einzelerläuterungen heißt es dazu:
»Mit dem vorgeschlagenen § 45a wird im deutschen
Urheberrecht erstmals eine Schranke zugunsten behinderter Menschen
eingeführt. (...)
Die in Absatz 1 beschriebene Schranke ermöglicht es Menschen,
denen die sinnliche Wahrnehmung eines Werkes oder Schutzgegenstandes
aufgrund ihrer Behinderung wesentlich erschwert ist,
Vervielfältigungen vorzunehmen, die das Werk oder den
Schutzgegenstand in eine andere Wahrnehmungsform übertragen und
dadurch dem Behinderten einen Zugang ermöglichen. Dies kann
konkret für Blinde und Sehbehinderte bei einem Werk der Literatur
etwa die Aufnahme auf Tonträger oder die Übertragung in
Blindenschrift umfassen. Auch die Verbreitung der hergestellten
Vervielfältigungstücke ist - wiederum begrenzt auf die
begünstigten Menschen - zulässig.
Die Vervielfältigung und Verbreitung ist zulässig, soweit es
zur Ermöglichung des Zuganges erforderlich ist. Nicht in diesem
Sinne erforderlich sind sie, wenn das Werk in einer für den
Begünstigten wahrnehmbaren Art zu einem der nicht wahrnehmbaren
Art entsprechenden Preis bereits verfügbar ist und sich diese
verfügbare Form für den konkret vorgesehenen Zweck der
Nutzung eignet. Letzteres wäre jedoch beispielsweise dann nicht
mehr gegeben, wenn ein Sehbehinderter im Rahmen seines
Literaturstudiums Zugang zu der für ihn wahrnehmbaren Form eines
erschienenen Buches benötigt, das zu vergleichbarem Preis zwar
als Hörbuch verfügbar ist, damit aber nicht den
Erfordernissen einer wissenschaftlichen Zitierweise genügt werden
kann.
Die Vervielfältigung ist vergütungspflichtig, wenn sie
über die Herstellung einzelner Vervielfältigungsstücke
hinausgeht. Die Begrenzung der Vergütungspflicht entspricht der
in den vergleichbaren Schrankenfällen üblichen Regelung. Sie
trägt praktischen Bedürfnissen Rechnung und
berücksichtigt zugleich, dass bei Einzelvervielfältigungen
regelmäßig Geräte und Medien verwendet werden, die
ohnehin einer urheberrechtlichen Vergütung nach §§ 54,
54a unterliegen.
Entsprechend der bisherigen Systematik des Urheberrechtsgesetzes in
allen Fällen derartiger Vergütungspflichten wird die
Geltendmachung der Vergütung einer Verwertungsgesellschaft
vorbehalten. § 13 Abs. 3 Satz 4 des
Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes stellt auch insofern sicher, dass
sowohl bei der Tarifgestaltung als auch bei der Einziehung der
tariflichen Vergütung namentlich kulturelle und soziale Belange
der Vergütungspflichtigen angemessen berücksichtigt
werden.«
Der trockene Rechtstext mag zunächst verbergen, um welche
bahnbrechende Erleichterung für die Arbeit der DZB und aller
anderen Produzenten von Literatur für Blinde und Sehbehinderte es
sich hierbei handelt. Denn bisher ist für uns die
Übertragung, sei es in Braille oder auf Kassette,
genehmigungspflichtig und bedarf einer Lizenz vom Rechteinhaber (in
der Regel der betreffende Schwarzdruckverlag, der Autor oder eine
Agentur). Diese Praxis erschwert unsere Arbeit außerordentlich.
Die DZB plant ihre Produktionsvorhaben halbjährlich. Jeweils
über 100 Buchtitel und Lizenzen werden benötigt. Der
Zeitraum von der Beantragung einer Lizenz bis zu deren Erhalt kann von
zwei Stunden bis zu zwei Jahren reichen, manchmal bleibt die Antwort
auch ganz aus. Planung wird zum »Abenteuer« ...
Aus unserer Sicht hoffen wir deshalb, dass der Gesetzesentwurf im oben
zitierten Wortlaut schnell umgesetzt wird. Dann werden wir zwar
Gebühren an die Arbeitsgemeinschaft Wort zahlen müssen, aber
dafür entfällt der Aufwand für die Lizenzbeschaffung.
Und für die Leser bzw. Hörer der DZB verkürzt sich
damit die Wartezeit bis zur Fertigstellung einer Neuerscheinung.
Wie war das damals?
Wie die Kriegsblindenbetreuung in Deutschland begann (Teil 2)
Dr. Werner Uhlig
Am Jahresende 1915 gehörten dem Verein der Blinden in Dresden und
Umgegend 12 kriegsblinde Mitglieder an. [DBW Nr. 2/1916, S. 26.] Von
Kriegsjahr zu Kriegsjahr nahm ihre Anzahl zu, und so erschien es dem
Verein angebracht, auf seiner 16. ordentlichen Hauptversammlung am 15.
April 1917 den Vorstand durch Hinzuwahl eines Kriegsblinden zu
erweitern. [DBW Nr. 5/1917, S. 74.]
Zunächst blieb es lediglich beim Beschluss einer solchen
Vorstandserweiterung, denn der dafür geeignete und bereitwillige
Kriegsblinde war noch nicht gefunden. Weil sich der Vereinsvorstand
der Bedeutung der Integration Kriegsblinder vollauf bewusst war und
keine Mühe scheute, diesen wichtigen und zu dieser Zeit schon
brisanten Erweiterungsbeschluss zu verwirklichen, gelang es in den
folgenden Monaten, den kriegsblinden Herrn B. Jähne für
diese Aufgabe zu gewinnen. B. Jähne wird auf der 17. ordentlichen
Hauptversammlung des Vereins am 21. April 1918 als Vertreter der
Dresdner Kriegsblinden in den Vereinsvorstand gewählt. [DBW Nr.
5/1918, S. 76.]
An dieser Stelle ist anzumerken, dass es seit 1916 eine eigene
Organisation der deutschen Kriegsblinden gibt, die darauf hinwirkte,
alle Kriegsblinden aus den Untergliederungen des Reichsdeutschen
Blindenverbandes herauszulösen. In Dresden ist diesen
Bestrebungen einige Jahre erfolgreich entgegengesteuert worden.
Noch einmal zurück zum Jahr 1915. Zu dieser Zeit dachte bei den
Blinden in Sachsen noch niemand an eine organisatorische Trennung
zwischen Kriegsblinden und den anderen Blinden, die nun bald
»Friedensblinde« bzw. »Zivilblinde«
heißen sollten. Das bewährte Prinzip uneigennütziger
Hilfe erfahrener Blinder für Neuerblindete galt für
Kriegsblinde im ganz besonderen Maße und keineswegs nur in
Sachsen. Bei aktiverer Mitwirkung vor allem von Vierling und
Gäbler-Knibbe aus Dresden ergriff der Reichsdeutsche
Blindenverband mit der Märznummer seiner Verbandszeitschrift 1915
die Initiative zur Schaffung der deutschen
Kriegsblindenfürsorge.
Wie sich gezeigt hat, ist es eine sehr erfolgreiche Initiative
gewesen, und die dabei entwickelte Herangehensweise könnte
durchaus auch für unsere Verbandsarbeit in Gegenwart und Zukunft
noch Bedeutung haben. Der damalige Vorsitzende des Reichsdeutschen
Blindenverbandes, F. W. Vogel, engagierte sich dafür nach
Kräften, und sein Nachfolger, Paul Reiner, berichtete
darüber wie folgt:
»Unser Aufruf in Nr. 3 der Blindenwelt, den wir an
eine große Anzahl deutscher Zeitungen mit der Bitte um Abdruck
sandten, hat uns von verschiedenen Seiten zustimmende
Äußerungen gebracht. Alle stimmen darüber
überein, dass die an der Kriegsblindenfürsorge
interessierten privaten Kreise sich mit den berufenen Vertretern des
Blindenwesens und der Blindenorganisation zusammenschließen
möchten, um sowohl die Verwendung der vorhandenen Gelder als auch
die weiteren Sammlungen in gesunde Bahnen zu lenken. Allein, da ein
entscheidender Schritt zu einem solchen Zusammenschluss von anderer
Seite nicht unternommen worden ist, so haben wir uns entschlossen,
unsererseits die Verwirklichung dieses Gedankens zu versuchen. Wir
sind an eine Anzahl interessierter hervorragender
Persönlichkeiten mit der Bitte herangetreten, sich uns als
Ehrenausschuss des Reichsdeutschen Blindenverbandes für
Kriegsblindenhilfe zur Seite zu stellen und uns bei der
Förderung dieser Angelegenheit ihre geschätzte Hilfe
angedeihen zu lassen.«
[Paul Reiner: »Unsere Tätigkeit in der
Kriegsblindenfürsorge«, DBW Nr. 5/1915, S. 65.]
Der Ehrenausschuss hatte innerhalb des Verbandes keinerlei Befugnisse,
es bedurfte bei seiner Konstituierung also keiner
Satzungsänderung, somit auch keiner Befragung bzw.
Bestätigung durch einen Verbandstag. Er wurde, ohne Zeit zu
verlieren, einzig und allein mit dem Ziel gebildet, dem Vorhaben des
Verbandes durch Unterstützung einflussreicher und hochgestellter
Persönlichkeiten in der Öffentlichkeit und besonders den
Behörden gegenüber größeres Gewicht zu verleihen.
Erstaunlich, wer alles zur Mitarbeit gewonnen werden konnte. Es
waren:
-
Johann Friedrich Fürst zu Hohenlohe, Bartenstein und Jagstberg,
Präsident der ersten Kammer des Württembergischen
Landtages, Schloss Bartenstein,
-
Staatsminister Dr. von Fleischhauer, Exzellenz, Königlich
Württembergischer Minister des Innern, Stuttgart,
-
H. Heinrich Bolko, Graf von Hochberg, Exzellenz, Erbliches Mitglied
des Preußischen Herrenhauses, Professor, Rohnstock,
-
Wirklicher Geheimer Rat Freiherr von Seckendorf, Exzellenz,
Präsident des Reichsgerichts, Leipzig,
-
General der Kavallerie Gustav Freiherr von StarklotT, Exzellenz,
Generaladjutant seiner Majestät des Königs von
Württemberg, Stuttgart,
-
Heinrich Ritter von Thelemann, Exzellenz, Königlich-Bayerischer
Staatsminister der Justiz, Präsident des Bayerischen Obersten
Landesgerichts, München, Lebenslänglicher Reichsrat der
Krone Bayerns,
-
Wirklicher Geheimer Rat Oberregierungsrat Dr. Paul Kaufmann,
Präsident des Reichsversicherungsamtes, Berlin,
-
H. von Zeller, Präsident des Evangelischen Konsistoriums in
Württemberg, Stuttgart,
-
Geheimer Hofrat Professor Dr. Th. Axenfeld, Direktor der
Universitätsaugenklinik Freiburg i. B.,
-
Geheimrat Professor Dr. Krückmann, Direktor der
Universitätsaugenklinik Berlin,
-
Geheimer Oberregierungsrat J. Heuschen, Vortragender Rat und
Referent für das Blindenwesen im Preußischen
Kultusministerium, Berlin,
-
Dr. Ludwig Ganghofer, Schriftsteller, München,
-
Dr. Friedrich Naumann, Mitglied des Reichstags, Berlin.
[DBW Nr. 4/1916, S. 50]
In Baden-Württemberg, Bayern, Berlin - von Sachsen ist einzig der
Reichsgerichtspräsident dabei - hatte das Anliegen der
Blindenorganisation in Dresden keinen Anklang gefunden? Oh doch, aber
die Dresdner hochgestellten Persönlichkeiten wurden für
einen anderen Zweck »aufgespart«, für einen
sächsischen Ehrenausschuss - dazu kommen wir noch. Jedenfalls ist
die Rechnung aufgegangen. Während der Kriegsjahre 1915 bis 1918,
einer Zeit, für die man das hätte am wenigsten vermuten
können, flossen dem RBV mehr Gelder zu als je zu einer anderen
Zeit. Heime wurden angemietet oder auch gekauft. Später sollten
sie allen Blinden zur Erholung dienen. Zunächst aber sind sie zur
Rehabilitation Kriegsblinder genutzt worden. Die Juliausgabe der
»Blindenwelt« 1915 bringt unter der Überschrift
»Eröffnung des ersten Erholungsheimes für erblindete
Krieger in Binz auf Rügen« eine ausführlichen Bericht
über das Ereignis.
Am 5.6. 1915 übernahm der RBV die Villa Concordia. Das Heim hatte
26 Zimmer mit 42 Betten, es sind nur 50 Schritte bis zum Strand. [DBW
Nr. 7/1915, S. 99-101.] Auf der Verwaltungsratsitzung am 29. Juni 1918
in Berlin ist der Beschluss gefasst worden, das Kurhaus Prora in Binz
zu kaufen, welches mindestens 110 Gästen Platz bot. [DBW Nr.
8/1918, S. 126]
»Im April 1917 durften wir das vom Verband käuflich
erworbene Heim am Amelungsweg beziehen (...)«, so wird über
Wernigerode berichtet. [DBW Nr. 8/ 1918, S. 128]
Wie in Binz, wo noch ein drittes Objekt, das Haus
»Edelweiß« übernommen worden ist, diente auch
in Wernigerode das Haus vor dem Beginn der Erholung zunächst der
Rehabilitation Kriegsblinder durch den RBV. Ein Jahr zuvor, also 1916,
war in Wernigerode schon kurzfristig ein Haus für diese Zwecke
genutzt worden, jedoch mit dem Erwerb des Heimes am Amelungsweg wieder
aufgegeben.
Überall wo es um Vorhaben der künftigen Blindenerholung
ging, hatte Otto Vierling mehr oder weniger seine Hände im Spiel.
Es ist ohne Übertreibung zu sagen, dass neben der Beschaffung und
dem Vertrieb von Blindenhilfsmitteln sein Lieblingskind die
Blindenerholung war. Wie er sich dabei - im wahrsten Sinne des Wortes
»ohne Rücksicht auf Verwandte« - engagieren konnte,
mag folgendes Beispiel zeigen: Die Heime in Binz hatten damals noch
nicht den Komfort »Zimmer mit WC, Dusche bzw. Bad«. Ab und
zu ein Bad jedoch, und nicht nur in der Ostsee, das musste aber schon
sein, natürlich, und so wurde auf Vierlings Vorschlag hin ein
Badehaus in Fertigteilbauweise für die Gäste der
Blindenheime in Binz errichtet. Dieses Badehaus, welches später
in den Jahren 1925 - 1926 noch zum Blindenerholungsheim Timmendorfer
Strand umgesetzt worden ist, stammte aus Dresden. Und wer hat es
gebaut? Der Zimmermann Ernst Vierling, Otto Vierlings Vater. [Ilse
Frenz: Erinnerungen an meinen Onkel Otto Vierling. Manuskript Oktober
1984, S. 5]
Kriegsblindenfürsorge war ein wichtiges humanistisches
Betätigungsfeld des Reichsdeutschen Blindenverbandes und seiner
Mitgliedervereine, bis es zur organisatorischen Verselbständigung
der deutschen Kriegsblinden kam. In einschlägigen Zeitschriften,
Jahrbüchern usw. findet sich oft und zu Recht der Hinweis auf die
Schrittmacherrolle der Kriegsblinden für die gesellschaftliche
Integration, auch der Zivilblinden.
Wenig oder gar nicht beachtet wird jedoch in der Regel die Tatsache,
dass es die Zivilblinden gewesen sind, die den Grundstein für die
Kriegsblindenfürsorge gelegt haben. Solidarität der Blinden
untereinander gehörte und gehört zu den wichtigsten
Prinzipien der Blindenselbsthilfe, und das sollte auch so bleiben!
Die Kramkiste
Im Bestand der Bibliothek gekramt
Unsere Bibliothekare stellen jeweils einen Punktschrift- und einen
Hörbuchtitel vor, die sich schon länger im Bestand unserer
Bibliothek befinden - zur Erinnerung für die »Alten«
und zur Information für die »Jungen«.
Pristawkin, : Schlief ein goldnes Wölkchen
Susanne Siems
(für die Punktschriftbibliothek)
Manchmal geht es Büchern wie Menschen. Sie haben ihre Geschichte,
ihre guten, erfolgreichen und ihre schlechten Zeiten, in denen sie
unbeachtet in der Ecke stehen und keiner ihre mahnenden Rufe
hören will.
Dem beeindruckenden Buch von Anatoli Pristawkin, in den achtziger
Jahren des 20. Jahrhunderts geschrieben, ist wohl genau das
widerfahren. Damals war das Buch eine Sensation, wurde zumindest im
Ostteil Deutschlands aufmerksam gelesen und viel besprochen. Wenn man
es heute in die Hand nimmt, weiß man warum und auch ich erkannte
wieder einmal den tieferen Sinn dieser Rubrik Kramkiste.
Hunger? Was ist das? Ich habe es so nie erfahren müssen. Ich
schaffe es nicht einmal, die guten Vorsätze, den Winterspeck
loszuwerden, in die Tat umzusetzen. Für die Zwillinge Kolka und
Saschka ist Hunger das Hauptmotiv allen Handelns. Sie essen
Kerzenwachs, um sich den Magen zu füllen. Sie riskieren ihr
Leben, indem sie zum Überleben ein Stück Brot klauen.
Kolka und Saschka leben 1944 in einem Waisenhaus im Moskauer Gebiet.
Eines Tages werden sie auf den langen Weg in ein neues Heim in den
Kaukasus geschickt. Dort finden sie zunächst paradiesische
Zustände, d. h. für sie Sattessen bis zum Umfallen, und eine
Landschaft, die man schon dank der Schilderung auf den Buchseiten als
einzigartig erkennt. Übrigens ist der Titel des Romans,
»Schlief ein goldnes Wölkchen«, die Zeile aus einem
Gedicht von Lermontow, dass den Zwillingen schon sehr zeitig in der
Schule begegnet und sie durch den ganzen Roman begleiten wird. Das
Paradies hat es an sich, nicht ewig zu währen. Sehr bald bekommen
die Zwillinge und ihre Kameraden schreckliche Erklärungen
für die unheimliche Ruhe, die in der Gegend, die sie jetzt
bewohnen, herrscht. Die Kinder werden in die Kämpfe zwischen
Russen und Tschetschenen verwickelt.
Es ist sehr realistisch, dieses Buch, und findet deshalb auch ein sehr
bitteres Ende. Mehr zufällig hatte ich mir einen Roman gegriffen,
den ich schon längst gelesen haben wollte. Erschütternd war,
welche Aktulität mich aus dem Text regelrecht anschrie. Heute,
knapp sechzig Jahre nach den geschilderten Ereignissen, sind für
mich kaum Veränderungen erkennbar. Die Regierenden tragen ihre
Interessen auf kriegerische Weise aus und die Bevölkerung
trägt die Hauptlast dieser Auseinandersetzungen. Sicher klingt
das sehr plakativ - aber wenn die Tatsachen so sind, muss man sie wohl
auch so benennen. Nach der Lektüre des Buches kann man dazu
nichts anderes sagen.
Anatoli Pristawkin, der in diesem und dem ebenfalls viel beachteten
Roman »Wir Kuckuckskinder« seine eigenen
Kindheitserlebnisse verarbeitet, setzt sich auch heute noch aktiv
für die Menschenrechte ein. Von 1992 bis 2001 war er Vorsitzender
der Begnadigungskommission des damaligen Präsidenten Boris
Jelzin. Ende vergangenen Jahres erhielt er den Alexander-Men-Preis,
der für die Vermittlung russischer Realität in Deutschland
verliehen wird.
Sicher ein ernstes Buch, dem man sich aber nicht entziehen kann und
sollte. Mit den lebensnahen Schilderungen des Autors bringt es uns
eine ferne Welt sehr nah.
In der Punktschriftbibliothek liegt der Roman in der Übersetzung
von Thomas Reschke vor, der übrigens auch Gast des V.
Boltenhagener Bücherfrühlings sein wird.
Anatoli Pristawkin: Schlief ein goldnes Wölkchen, 5 Bde., rkh.,
BNA 7829
Marie von Ebner-Eschenbach: Krambambuli
Jana Waldt (Hörbücherei)
Für meine heutige Kramkiste habe ich mir die Erzählungen von
Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach (1830 - 1916) ausgesucht - allen
voran »Krambambuli«.
Diese 1883 erschienene Erzählung beruht auf einer wahren
Begebenheit, die Marie von Ebner-Eschenbach von ihrem Neffen berichtet
wurde:
Der Revierjäger Hopp kauft von einem heruntergekommenen
Forstgehilfen für zwölf Flaschen Kirschbranntwein einen
ungewöhnlich schönen Hund - Krambambuli. Es dauert zwei
Monate, bis Krambambuli, halb verhungert und tot geprügelt,
seinen neuen Herrn anerkennt. Hopp liebt ihn über alles und ist
stolz auf ihn und seine Treue. Selbst beim Grafen, der den Hund gern
als Geburtstagsgeschenk behalten wollte, bleibt er nicht.
Um dieselbe Zeit machte eine Bande von Wilderern unter ihrem
Anführer, dem »Gelben«, die Wälder unsicher. Der
Oberförster, dadurch maßlos gereizt, straft nun auch die
kleinen Wilddiebstähle der Dorfbewohner mit äußerster
Brutalität. Unter den Frauen, die er eigenhändig
prügelt, befindet sich auch die Geliebte des
»Gelben«. Eine Woche später wird der Oberförster
ermordet aufgefunden. Mit Krambambulis Hilfe stehen sich wenig
später in Hopp und dem »Gelben« auch der neue
und alte Herr des Hundes gegenüber. Krambambuli - hin- und
hergerissen - entscheidet sich schließlich für seinen alten
Herrn und gegen Hopp. Der »Gelbe« dadurch irritiert,
verfehlt Hopp und wird von diesem schließlich erschossen. Hopp
kann Krambambuli seine Untreue nicht verzeihen und lässt ihn im
Wald zurück. Krambambuli verwildert völlig und stirbt in
einer kalten Winternacht vor Hopps Tür, zu dem er
zurückkehren wollte.
Diese Erzählung war lange Zeit Pflichtlektüre an
österreichischen Schulen. Sie ist nicht nur eine Geschichte von
der Treue eines Hundes, sondern beschreibt auch ganz klar die sozialen
Zustände der damaligen Zeit.
Neben dieser Erzählung (BNA 581), die 1956 von Ingeborg Ottmann
in der DZB aufgelesen wurde, können Sie in der
Hörbücherei von Marie von Ebner-Eschenbach noch folgende
Hörbücher ausleihen:
»Das Gemeindekind" (BNA 227)
»Der Kreisphysikus« (BNA 582)
»Der Erstgeborene« (BNA 583)
»Unverbesserlich« (BNA 584)
»Maslans Frau« (BNA 585)
»Margarete« (BNA 586)
»Frauenbilder« (BNA 6046)
»Meine Kinderjahre. Aus meinem Leben. Bei meinen
Landsleuten« (BNA 3060).
Natürlich verfügt auch unsere Punktschriftbibliothek
über zahlreiche Titel von Marie von Ebner-Eschenbach.
Autorenporträt
Georges Simenon
Zum 100. Geburtstag am 13. Februar
300 Romane, mehr als 50 Verfilmungen, etwa 20 Pseudonyme und jene
10.000 Frauen, mit denen er - so kolportierte er selber - geschlafen
haben soll: Zahlen, die nichts Maßvolles oder Messbares
wiedergeben. Nur wenig bescheidener nimmt sich sein Lebenslauf aus: Da
sein Vater krank wurde, verließ Georges die Schule, begann kurz
eine Konditor- und eine Buchhändlerlehre und wurde dann von der
»Gazette de Liège« als Lokalreporter eingestellt.
Nach der Zeit in Paris als Privatsekretär eines Schriftstellers
und eines Marquis begann Simenons unvergleichliche Schaffenswut. Den
ersten einer Reihe von mehr als 180 Groschenromanen schrieb er an
einem Vormittag im Sommer 1924 auf einer Café-Terrasse. Erst
später entstand der unvergessliche Commissaire Maigret.
Ständige Ortswechsel und manisches Schreiben bestimmten 30 Jahre
lang sein Leben. Sein reiches Leben krönte Georges Simenon mit
den monumentalen »Intimen Memoiren«.
Der Mann, der den größten Pariser Kommissar erschuf, war
ein Belgier. Georges Simenon wurde am 13. Februar 1903 in Lüttich
geboren. Es wird berichtet, dass die abergläubische Mutter
versuchte, den Geburtstag vordatieren zu lassen. Der Vater muss
zumindest im Dienst ein sachlicher Mensch gewesen sein - er arbeitete
als Versicherungsangestellter. Simenon besuchte von 1909 an fünf
Jahre lang eine katholische Elementarschule. George muss ein
fähiger Schüler gewesen sein, ansonsten hätte er die
Abschlussprüfung nicht mit 294 von 315 möglichen Punkten
gemeistert. In den Jahren des ersten Weltkrieges besuchte Simenon ein
Jesuitenkolleg; er will entweder Schriftsteller oder Priester werden.
Aufgrund einer schweren Erkrankung seines Vaters musste er aber die
Schule vorzeitig verlassen. Er nimmt eine Arbeit als Verkaufsgehilfe
in einer Buchhandlung an, wird aber nach sechs Wochen entlassen. Die
Lehre als Konditor bricht er ebenfalls ab. Er wird Lokalreporter bei
der »Gazette de Liége« und beglückt die
Zeitung neben seinen Prozessberichten mit einer Klatschspalte. 1920
folgte dann sein erster kleiner Roman. »Au Pont des
Arches« beschäftigt sich auf humorvolle Art und Weise mit
Lütticher Sitten. Das Buch wird unter einem seiner
Zeitungspseudonyme veröffentlicht: »Georges Sim«.
Simenon hatte beschlossen, erst dann unter eigenem Namen zu
veröffentlichen, wenn er sich fähig glaubt, die Literatur zu
schreiben, die seinen Ansprüchen genügt. Die Geschichte des
Pseudonyms wird übrigens in »Maigrets Memoiren«
aufgegriffen.
1921 erfolgt die Verlobung mit Régine Renchon, einer jungen
Malerin. Ihr Vater hatte Liebesbriefe gefunden, die keinen Kommentar
benötigten, und bestand auf einer Verlobung. Simenons Vater starb
in diesem Jahr. Simenon war erschüttert von dem Eindruck, den der
sterbende Vater auf ihn hinterließ. Im folgenden Jahr geht er
nach Paris. 1923 ehelicht er in Paris seine Verlobte.
In den folgenden zehn Jahren schreibt Simenon an die 1000
Kurzgeschichten. Mitte der zwanziger Jahre wendet er sich der
Produktion von Groschenheften zu. Er betrachtet dieses
»Schreiben« als Arbeit und erreicht mit den Romanen ein
beachtliches Einkommen. Noch immer betrachtet er sich als nicht
vollwertigen Schriftsteller und veröffentlicht unter Pseudonymen.
Bis 1924 ist er Privatsekretär und Reisebegleiter des Marquis de
Tracy, im Jahre 1925 schließt er einen Vertrag mit dem Verleger
Tallandier über die regelmäßige Lieferung von
Groschenromanen. 1927 wird Simenon Alleinherausgeber und Redakteur der
Zeitschrift »Le Merle blanc«. Die Zeitschrift hat keinen
Erfolg. 1928 bricht Simenon zu einer fünfmonatigen Flussreise
auf. Dem Wasser bleibt er sehr verbunden, denn 1929 lässt er sich
ein eigenes Schiff bauen. Mit diesem Schiff will er über Belgien
und Holland bis in die Ostsee fahren. Wir können froh sein, dass
er nicht untergegangen ist, denn erst 1930 erscheint eine
Erzählung, in der ein Kommissar Maigret auftaucht -
»Nachtzug« heißt die Erzählung. 1931
veröffentlicht Simenon die erste Maigret-Erzählung unter
seinem eigenen Namen: »Maigret und Pietr, der Lette« (1929
in Holland geschrieben). Auch in den darauffolgenden Jahren ist
Simenon viel unterwegs, er bereist zuerst Afrika und Europa (1932/33)
und unternimmt dann eine Weltreise (1935). 1939 wird sein Sohn Marc
geboren.
Ein Arzt diagnostiziert bei Simenon eine Angina pectoris, eine
Krankheit, an der auch schon sein Vater starb. Folge dieser krassen
Fehldiagnose - schließlich lebte Simenon noch fast fünfzig
Jahre - war eine erste Biographie. Nach dem Krieg siedelt er mit der
Familie nach Amerika um. Hier entstehen 26 Maigret-Erzählungen.
Simenon beginnt eine Affäre mit Denise Ouimet, die später
seine Sekretärin wird. 1949 wird der gemeinsame Sohn John
geboren. Im Jahr darauf erfolgen die Scheidung von Régine und
die Heirat mit Denise. Drei Jahre nach der Heirat wird die Tochter
Marie-Jo geboren, 1958 Sohn Pierre. Zehn Jahre nach der
Übersiedlung kehrt Simenon zurück nach Frankreich.
1973 gibt Simenon bekannt, dass er keine Romane mehr schreiben
würde. Vorausgegangen sind dem unfreundliche Kritiken seiner
letzten Bücher. Ob ein Zusammenhang besteht, sei dahingestellt.
Er beginnt damit, seine Memoiren auf Tonband zu sprechen.
Am 4. September 1989 stirbt Simenon in Lausanne. Ein Jahr zuvor wurden
seine Beine und ein Arm durch eine Gehirnblutung gelähmt. Eine
Nachricht, die im Wirbel der Zeit untergegangen ist. Seine Asche wurde
unter der Zeder in seinem Garten in Lausanne verstreut
(Quellen: www.diogenes.ch;
www.maigret.de)
Die DZB hat zahlreiche Werke von Georges Simenon in ihrem Bestand.
Bücher des Jahrhunderts
Welche Bücher haben das 20. Jahrhundert am stärksten
geprägt? Eine internationale Jury ist dieser Frage nachgegangen.
Das Ergebnis wurde im Börsenblatt des Deutschen Buchhandels
veröffentlicht (Petra Gass: Meilensteine. Börsenblatt des
Deutschen Buchhandels Nr. 81 vom 12.10.99). Wir nennen Ihnen
nacheinander diese Bücher. Titel dieser Liste, die Sie in der DZB
ausleihen können, stellen wir Ihnen ausführlicher vor.
Wir setzen heute fort mit Position
Nr. 51: A. C. Kinsey: Das sexuelle Verhalten des Mannes (1948)
Nr. 52: W. Churchill: Der Zweite Weltkrieg (1948)
Nr. 53:
Graham Greene: Das Herz aller Dinge
(1948)
In der DZB als Hörbuch ausleihbar:
Sprecher: Friedhelm Eberle. 10 Kass., 4624
Graham Greene wurde am 2. Oktober 1904 in Berkhampstead,
Hertfordshire, geboren. Sein Großonkel war der Autor Robert
Louis Stevenson. Da Greene der Sohn des örtlichen Schuldirektors
war, behandelten seine Mitschüler ihn als Außenseiter. Er
entwickelte so einen Hang zum Einzelgängertum, gegen den auch
seine beiden Brüder nichts tun konnten.
Nach Beendigung der Schule ging Greene nach Oxford und studierte am
Balliol College Neuere Geschichte. Seine erste Anstellung war ein
Redakteursposten bei der Times in London, danach fand er eine Stelle
als Filmkritiker beim Spectator. Die großen Reisen, die er
unternahm - u.a. nach Westafrika und Asien - wurden auch zum Fundus
für seine schriftstellerische Tätigkeit.
Ein entscheidender Schritt war 1934 sein Übertritt zum
Katholizismus. Sein erster Roman, »The Man Within« (1929,
dt. Zwiespalt der Seele), beschreibt bereits den Konflikt zwischen Gut
und Böse, der im Zentrum von Graham Greenes Werk steht. Man
findet ihn in den Kriminalgeschichten wie in den psychologisch
ausgerichteten Romanen. Als 1940 »The Power and the Glory«
(dt. Die Kraft und die Herrlichkeit) erschien, erhielt Greene
dafür den Hawthorne-Preis. Viele halten es für sein
vielleicht bestes Werk.
Zweimal leitete er Verlage, Mitte der vierziger Jahre »Eyre
& Spottiswoode« und Anfang der sechziger Jahre »Bodley
Head«. Am 3. April 1991 starb Graham Greene in Genf.
Das Herz aller Dinge
(The Heart of the Matter).
Liebes- und Glaubensfragen führen zu den inneren und
äußeren Verwicklungen im Leben Scobies, des
stellvertretenden Polizeikommandanten einer kleinen westafrikanischen
Hafenstadt während des zweiten Weltkrieges. Sein Leben wird
geprägt von den Beziehungen zu zwei Frauen, seiner Ehefrau
Louise, die den Aufenthalt in Afrika hasst und die Enttäuschungen
seiner Karriere nicht zu überwinden vermag, und der jungen Helen
Rolt, die - während eines Ferienaufenthalts Louises in
Südafrika - als Schiffbrüchige in die Stadt kommt. Aus
anfänglicher Anteilnahme Scobies am Schicksal Helens entwickelt
sich echte gegenseitige Liebe. Für Scobie sind Mitleid und
Verantwortungsgefühl für andere die entscheidenden Impulse
seines Lebens, denen gegenüber der Wunsch nach Frieden und
innerer Ruhe zurücktreten muss. So führen seine Liebe zu
Helen und sein Mitleid mit der zurückkehrenden, hilflosen Louise
für ihn zu einer äußerlich wie innerlich ausweglosen
Situation. Sein Gewissenskonflikt wird verschärft durch das
Bewusstsein der Sünde, unter dem er als gläubiger Katholik
zutiefst leidet. Um aus dem Zirkel seines sündigen Lebens
auszubrechen, beschließt er, sich selbst der ewigen
Verdammnis zu übergeben, indem er, eine Angina pectoris
vortäuschend, sich mit Schlaftabletten das Leben nimmt, ohne aber
die anderen täuschen zu können. Der Kommentar des
katholischen Priesters nach Scobies Tod, dass er Gott wahrhaft
liebte, gibt der Paradoxie des Geschehens, dessen
Wertmaßstab nicht im äußeren Tun, sondern im inneren
Ringen liegt, noch einmal mit aller Schärfe Ausdruck.
(Quelle: Digitale Bibliothek Band 13: Wilpert: Lexikon der
Weltliteratur, S. 18589 © Alfred Kröner Verlag)
LOUIS
(Leipziger Online Unterstützungs- und Informationsservice
für Sehgeschädigte)
Betreuer dieser Rubrik ist Herr Ulrich Jander. (Tel. 0341 7113-145,
Fax: 0341 7113-125, E-Mail:
Ulrich.Jander@dzb.de)
Detaillierte Ausführungen zu den Themen können direkt bei
ihm abgerufen werden. Selbstverständlich erhalten Sie auch
Antwort auf Fragen, die uns in Blindenschrift, auf Kassette oder in
Schwarzschrift erreichen. Mehr zu LOUIS gibt es im Internet unter
www.dzb.de/louis
Das Kursbuch der Deutschen Bahn und der Nahverkehr auf CD-ROM's
Ulrich Jander
Bereits vor einiger Zeit schrieb ich über das Angebot der
Deutschen Bahn auf CD-ROM. Damals konnte man als blinder
Computernutzer neben der Windowslösung, auch unter dem
Betriebssystem MS-DOS, sowohl das Kursbuch der Bahn als auch
Nahverkehrsfahrpläne einsetzen. Mit dem aktuellen Kursbuch wurde
ein neues Programm erstellt, welches Vorzüge und auch mehr
Informationen mit sich bringt. Jedoch wurde die MS-DOS-Version
abgeschafft. Wie beim Telefonbuch auf CD-ROM »Klicktel«,
so gibt es jetzt auch seitens der Deutschen Bahn nur
Verkehrsverbindungen auf CD-ROM unter Windows; Preis: 5,00 .
Städteverbindungen der DB werden auch auf drei Disketten
angeboten, jedoch für insgesamt 12,75 . Darüber hinaus
gibt es auch auf CD-ROM den Nahverkehr aller Bundesländer, Preis:
2,50 . Leider liegt der Nahverkehr nicht vollständig vor,
d. h., nur insoweit, wie entsprechende Angaben von den einzelnen
Nahverkehrsunternehmen an Cedion GmbH, den Anbieter dieser
Fahrpläne, gegeben werden. Zu den genannten Preisen kommen 3,00
Versandkosten hinzu.
Installieren kann man die CD-ROM's bzw. Disketten ab Betriebssystem
Windows 95. Der Einsatz eines Screenreaders während der
Installation sowie bei der Nutzung der Programme ist natürlich
erforderlich. Das Programm wird, wie unter Windows üblich, mit
Setup gestartet. Die Installationsroutine verläuft ohne
Besonderheiten. Wenn man dann das erste Mal das Kursbuch aufgerufen
hat, ist zu empfehlen, gleich eine Einstellung vorzunehmen, um den
Screenreader an das Anwendungsprogramm anzupassen. Ein anderes
Farbschema muss eingestellt werden. Dies wird von der
Entwicklungsfirma wie folgt beschrieben:
»Der neue Ausgabebereich von HAFAS verwendet mehr Farbtöne,
als die Windows-Systemfarben beinhalten. Dies bedeutet, dass die
Vorlesesoftware zunächst Probleme beim Erkennen der Hervorhebung
haben kann. Diese Probleme lassen sich durch die Wahl eines speziell
optimierten Farbschemas in HAFAS beseitigen. Wählen Sie hierzu
den Menüpunkt Optionen - Einstellungen. Es öffnet sich ein
Dialogfeld mit verschiedenen Registerkarten. Wechseln Sie mit STRG+TAB
und Pfeil-nach-rechts-Taste die Registerkarten, bis die Dialogoption
Farbschema vorgelesen wird. Mit TAB-Taste gehen Sie nach unten.
Wählen Sie dann in dem zugehörigen Listenfeld den Eintrag
"Screenreader" aus und verlassen Sie den Dialog mit der
Schaltfläche OK (oder der EINGABETASTE).«
Jetzt ist ein zeilenorientiertes Arbeiten mit dem Kursbuch
möglich. In der Suchmaske können Eintragungen gemacht
werden. Die Anzeige der Fahrverbindungen in der Übersicht oder im
Detail ist übersichtlich. Mit der Pfeil-nach-unten- bzw.
-nach-oben-Taste bewegt man sich Zeile für Zeile durch die
Suchergebnisse. Das Menü, um die einzelnen Funktionen des
Programms zu finden, erreicht man, wie gewöhnlich, mit Hilfe der
ALT-Taste.
Neben dem Vorteil, dass jetzt auch Gleisangaben in der Detailansicht
zu finden sind, kann das Kursbuch jederzeit auf aktuellen Stand
gebracht werden. Dazu ist allerdings eine Internetverbindung
notwendig. Für die Aktualisierung der Kursbuchdaten und des
Programms ruft man im Menü Datei den Punkt Update auf. Dort steht
die Frage, ob man über das Internet aktualisieren möchte.
Wenn man dies bestätigt, wird eine im Programm stehende
Internetseite aufgerufen, und die aktuellen Daten, wenn vorhanden,
werden als Dateien zum Herunterladen angeboten. Nach einem solchen
Download müssen die Dateien einzeln aufgerufen werden; die
Aktualisierung erfolgt wiederum durch Installation. Auf diese Weise
hat man immer ein aktuelles Kursbuch verfügbar.
Alternativ zum Kursbuch besteht auch die Möglichkeit, die
nötigen Verkehrsverbindungen direkt im Internet zu suchen.
Dafür gibt es sogar eine gut bedienbare, textorientierte
Suchmaske der Deutschen Bahn als Internetseite. Sie lautet wie
folgt:
Bestellungen und Anfragen zu den elektronischen Medien der DB AG
können Sie an folgende Adresse richten:
DB BestellCenter
Elektronische Medien
CEDION GmbH
Lindlaustr. 2a
53842 Troisdorf
Telefon 02241 / 9477-77 bzw. 78
Telefax 02241 / 9477-99
Ein Wermutstropfen bezüglich der CD-ROM's gibt es allerdings
zurzeit: Auf Grund einer einstweiligen Anordnung eines Berliner
Gerichts werden die CD-ROM's gegenwärtig nicht verteilt. Die
Diskettenvariante ist davon jedoch nicht betroffen. Leider ist dort
der Datenumfang nicht ganz so groß.
Info-Service
Mitteilung zum Zahlungsverkehr
Die Finanzbuchhaltung der DZB informiert hiermit die Kundinnen und
Kunden der DZB, dass die Rechnungslegung für alle bisher im
Jahre 2003 erfolgten Bestellungen, Abonnements usw. aufgrund der mit
dem neuen Status der DZB zusammenhängenden buchhalterischen
Neuordnung voraussichtlich erst ab April 2003 erfolgen kann.
Alle Bestellungen werden dessen ungeachtet bearbeitet, ebenso erfolgt
die Auslieferung wie bisher.
Leipziger Buchmesse
Vom 20. bis 23.3.03 ist Buchmesse. Das Thema Reisen steht im
Vordergrund. Der Messestand der DZB befindet sich in Halle 3, Stand
H216. Vor Ort können Sie sich über die neuesten Karten vom
Europaatlas für Blinde und Sehbehinderte informieren oder sich
die Handhabung von DAISY-Geräten und DAISY-CD's demonstrieren und
erklären lassen. Die Betreuung des Messestandes erfolgt unter der
erfahrenen Ägide von Frau Renate Burghardt, Leiterin der
Abteilung Verlag der DZB.
Schließzeiten der DZB 2003
An folgenden Werktagen bleibt die DZB 2003 geschlossen:
Freitag, 02.05.2003
Freitag, 30.05.2003
Mittwoch, 24.12.2003 bis
Freitag, 02.01.2004
Das Heimgesetz jetzt auch in Blindenschrift erhältlich!
Dr. Hans-Eugen Schulze
(Beauftragter für Seniorenangelegenheiten des Deutschen Vereins der
Blinden und Sehbehinderten in Marburg)
In den letzten Jahren ist oft über Missstände in Alten- und
Pflegeheimen geklagt worden. Seit November vorigen Jahres gibt es
daraufhin ein neues Heimgesetz, das helfen soll, solche
Missstände von vornherein zu vermeiden oder jedenfalls
möglichst schnell wieder zu beseitigen. Dabei spielen die
Heimbewohner eine wichtige Rolle, vor allem dann, wenn sie selbst dem
»Heimbeirat« angehören. Auch Angehörige und
Freunde, die sich für einen Altenheimbewohner verant-wortlich
fühlen, können viel zu einer bewohnerfreundlichen
Führung des Heimbetriebes beitragen, wenn sie wissen, wie er nach
dem Gesetz gestaltet sein muss und welch' weitgehende Befugnisse die
Heimaufsicht heute in diesem Rahmen hat. Schließlich können
auch die örtlichen Blinden- und Sehbehindertenvereine auf den
Heimbetrieb einwirken, indem ihre Mitglieder blinde und sehbehinderte
Heimbewohner besuchen und beraten oder - wie das nach der
zusätzlich erlassenen »Heimmitwirkungsverordnung«
möglich ist - in den Heimbeirat gewählt werden.
Alle diese Gruppen - die Heimbewohner selbst, ihre Angehörigen
und Freunde und die örtlichen Vereine - müssen dazu aber das
Heimgesetz und die Mitwirkungsordnung kennen und immer wieder einmal
zu Rate ziehen. Für alle, die die Blindenschrift beherrschen, ist
daher sehr zu begrüßen, dass die Deutsche
Blindenstudienanstalt diese beiden, mit einem Vorleser nur schwer
handhabbaren Texte als Loseblattausgabe in Blindenschrift gedruckt
hat.
Bestellt werden können das Heimgesetz und die
Mitwirkungsverordnung bei der Deutschen Blindenstudienanstalt,
Postfach 1160, 35001 Marburg, Bestell-Nr.: 4182. Die Ausgabe in einem
schmalen Ringordner kostet 14,70 zuzüglich 1,60
für Verpackung und zuzüglich gesetzlicher Mehrwertsteuer.
Bei satzungsgemäßen Lieferungen und Leistungen an blinde
und sehbehinderte Personen sowie an gemeinnützige Einrichtungen
wird jedoch keine Mehrwertsteuer berechnet.
Blinde Autofahrer bitte melden!
Autofahren für Blinde erstmals in der Berliner City
Am 29. und 30. März 2003 können Blinde und Sehbehinderte
erstmals in der Berliner City selbst hinter das Steuer eines Autos
steigen. Der Allgemeine Blinden- und Sehbehindertenverein Berlin
sowie die Fahrlehrer-Verbände Berlins und des Landes Brandenburg
führen die Veranstaltung auf dem eigens dafür abgesperrten
Olympischen Platz vor dem Berliner Olympia-Stadion durch. Es geht
dabei nicht nur darum, Blinden und Sehbehinderten einen Herzenswunsch
zu erfüllen, sie sollen vielmehr auch lernen, sich in Autofahrer
hineinzuversetzen.
Gleichzeitig sollen auch die Fahrlehrer für die Belange der
Blinden und Sehbehinderten sensibilisiert werden.
Die Veranstaltung beginnt an beiden Tagen um 10:00 Uhr und wird bis
ca. 17:30 Uhr dauern. Blinde und Sehbehinderte, die daran teilnehmen
möchten, können sich bei Dr. Detlef Friedebold anmelden,
entweder per E-Mail
(
dr.friedebold@t-online.de)
oder telefonisch unter 030/ 365 53 55.
Fahrschulen und blinde Passagiere gesucht!
Der Blinden- und Sehbehindertenverband des Muldentalkreises lädt
am 1. Mai auf den Flughafen Waldpolenz zum »Auto fahren für
Blinde« ein. Es wird einen Bustransfer zwischen dem Bahnhof
Brandis und dem Flugplatz Waldpolenz geben, ebenfalls werden
Rundflüge möglich sein.
Kontakt für teilnehmende Fahrschulen:
Fahrschule Andreas Grünewald
Tel.: 0341 6891689, Fax: 0341 6010302
Kontakt für Teilnahme Blinder und Sehbehinderter:
BSVS e. V. KO Muldental
Tel. und Fax: 034293 42149
Plattdeutsches in Blindenschrift
[blip]
Die Vierteljahresschrift für Mitglieder der
»Quickborn-Vereinigung für niederdeutsche Sprache und
Literatur« soll bei entsprechendem Interesse in Blindenschrift
herausgegeben werden. Wer mehr über dieses Vorhaben wissen will,
kann sich telefonisch, per Cassette oder in Blindenschrift wenden an
Mona Heynemann, Koblenzer Str. 76, 32584 Löhne, Telefon 05731
842163.
Berlinale: Die Kino-Hits der Zukunft
Auf den Berliner Filmfestspielen im Februar wurden viele Filme
vorgestellt, die den Sommer lang in den Kinos zu sehen sein werden -
manche mit der Chance, ein Hit zu werden. Eine Extrakassette zum
Filmfest informiert ausführlich. Sie ist eine Sonderausgabe der
Hörmagazine »Anstöße« und
»Auslese« und erscheint Ende Februar beim
Arbeitskreis Kultur und Selbsthilfe
Sehgeschädigter,
Postfach 210540, 10505 Berlin,
Telefon 030 3451828.
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Zeitschrift veröffentlicht (außer dem Internet). Es gilt
unsere Anzeigenpreisliste: für eine Editionsform pro Wort 0,45
, bei zwei Editionsformen pro Wort 0,90 und bei drei
Editionsformen pro Wort 1,35 . Die Kennziffergebühr
beträgt 5 . Sie können kostenlos inserieren, wenn Sie
etwas verschenken wollen. Interessenten wenden sich bitte direkt an
die angegebene Adresse. Für
Inhalt
und Aussage der Anzeige sind die Inserenten verantwortlich.
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Telefon: 0511 2154324
E-Mail:
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Spezielle Zaubershow für Blinde & Sehbehinderte.
Info in Punkt- und Schwarzschrift unter 0511 514534.
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Gedichte zum Winter.
G. Grass: Krebsgang.
Helga Eisele: Rezeptfreie Medizin.
Ilse Neunzig, Schulstraße 8, 71679 Asperg
Verschenke: Index Basic-Brailledrucker mit Handbuch und
Disketten.
Nachfrage werktags von 9-15 Uhr unter Tel. 030 20936862
Impressum
Erscheint zweimonatlich in Blindenkurzschrift, auf Kassette
(Jahresabo. je 7,67 ) und in Schwarzschrift (Jahresabo. 12,27
). Kostenlose Beilage: »Leipziger Bücherliste«.
Herausgeber, Verlag und Druck:
Deutsche Zentralbücherei für Blinde
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