in puncto dzb lesen - 02 / 2020

02 2020

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

als ich mit der Arbeit an dieser Ausgabe begann, wurde gerade wegen der Corona-Pandemie das öffentliche Leben in ganz Deutschland heruntergefahren. Kurz vor Redaktionsschluss nun bringen erste Lockerungen wieder Leben in alle Bereiche der Gesellschaft. Während des Lockdown produzierte das dzb lesen im Haus und im Homeoffice weiter und war auch in der Ausleihe und dem Verkauf für seine Nutzerinnen und Nutzer da. Erfahren Sie, vor welchen Herausforderungen eine Herstellungsleiterin steht, wenn Bücher und Notenwerke im Homeoffice in Brailleschrift oder Großdruck übertragen werden müssen. Und wie wichtig Bücher für die Nutzerinnen und Nutzer des dzb lesen in diesen Zeiten sind.

Wenn Buchstaben ähnlich aussehen oder gleich klingen, wird das Lesen und Schreiben zur Last. Eine, die weiß, wie sich die Lese- und Rechtschreibstörung (LRS) anfühlt, erzählt im Interview von ihren Erfahrungen und ihrer Forschungsarbeit auf dem Gebiet der Früherkennung einer LRS.

Lesen Sie auch, warum der Förderverein des dzb lesen einen neuen Namen hat, reisen Sie mit einem Fördervereinsmitglied nach Addis Abeba und erfahren Sie, welches unserer Bücher mit Hilfe einer Goldenen Buchpatenschaft jetzt im dzb lesen erschienen ist.

Ich hoffe, ich konnte Sie für diese Ausgabe interessieren und wünsche Ihnen viel Freude bei der Lektüre. Kommen Sie gesund durch den Sommer!

Ihre Gabi Schulze
Redakteurin „in puncto dzb lesen“

Im Fokus

Korrekturlesen via Telefon

Seit Mitte März hat die Corona-Pandemie Deutschland verändert: mit Grenzkontrollen, Ausgangsbeschränkungen und Kontaktsperren. Das dzb lesen produzierte während des Lockdown und auch jetzt weiterhin barrierefreie Literatur, teils im Haus, aber auch im Homeoffice. Wie diese Produktion konkret in der Abteilung Blindenschrift|Großdruck|E-Book (BGE) aussieht, darüber berichtet folgender Beitrag von Gabi Schulze.

Als Steffi Siebert-Hohensee Anfang Juli 2019 ihre Arbeit als Leiterin der Fachgruppe Blindenschrift|Großdruck|E-Book im dzb lesen begann, hat sie an alles andere gedacht als daran, dass ein Virus ihre Arbeit vor außergewöhnliche Herausforderungen stellen würde.

Zu ihrer Abteilung gehören 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Bereichen Vorstufe, Übertragung, Korrekturlesen, Großdruck und Punzieren. Hier werden Bücher, Zeitschriften, Noten und Aufträge von Kunden in Braille- bzw. Notenschrift und Großdruck übertragen. Die komplexen Arbeitsabläufe erfordern eine effiziente Organisation innerhalb der Fachgruppe, aber auch eine gute Zusammenarbeit mit den anderen Produktionsbereichen des dzb lesen.

Herausforderung Homeoffice

Seit Mitte März ist es auf den Etagen der Fachgruppe still geworden. Fast alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten im Homeoffice. Deshalb muss Steffi Siebert-Hohensee die Produktion vollkommen anders organisieren und andere Wege der Kommunikation finden. Gefragt sind schnelle Lösungen, wenn zum Beispiel ein Laptop fehlt, Mails weitergeleitet und Korrekturunterlagen verschickt werden müssen. Da können Absprachen und Übergaben schon manchmal ein Problem darstellen. „Ich versuche die Produktion, welche sonst auf engstem Raum abläuft, via Telefon und Mail zu koordinieren. In Zusammenarbeit und Absprache mit meiner Stellvertreterin Yvonne Samland werden Postversand, Buchübergaben und Korrekturrücknahmen organisiert“, erklärt die Leiterin, die wie so viele andere ihre Familie und Verwandte schon lange nicht mehr treffen konnte.
Und weiter meint sie: „Es ist vor allem dem Ideenreichtum und dem Erfindergeist der Kolleginnen und Kollegen zu verdanken, dass ein Korrekturlesen auch am Telefon stattfinden kann und es kaum zu zeitlichen Verzögerungen kommt.“ Wichtig sei ihr zudem, den Überblick über die Titel zu bewahren, die übergeben werden müssen oder weiterzuleiten bzw. abzuschließen sind. Gerade erst erhielt sie zwei brandaktuelle Titel zum Thema „Corona-Pandemie“. Die Bücher sollen natürlich schnell übertragen werden. „Literatur mit hoher Priorität oder auch Zeitschriften und Aufträge werden wegen ihrer Aktualität in die laufende Produktion eingeschoben“, berichtet die Leiterin. „Ich muss genau wissen, in welcher Produktionsstufe sich jedes Buch befindet und wer es gerade bearbeitet. Hier hilft mir ein ‚Laufzettel‘, den es für jeden Titel jetzt gibt.“

Neue Erfahrungen im dzb lesen

Bücher sind Steffi Siebert-Hohensee wichtig. Sie sorgt nicht nur für deren Herstellung. Sie liest Bücher selbst sehr gern, vor allem Klassiker wie Thomas Mann und Hermann Hesse, Honoré de Balzac und Stefan Zweig. Aber auch „Sieben Jahre in Tibet“ von Heinrich Harrer hat sie besonders nachhaltig berührt. Vielleicht gerade auch deshalb, weil sie selbst gern in der Natur ist und dort Ruhe und Gelassenheit findet. So fährt sie mit ihrem VW-Bus gern in die Sächsische Schweiz und geht dort mit ihrem Hund wandern oder ist mit einer Ornithologen-Gruppe auf Exkursion unterwegs.

Einst Accountmanagerin bei le-tex publishing services, jetzt Herstellungsleiterin im dzb lesen: Ihre Leitungstätigkeit mache ihr Spaß und die enge Zusammenarbeit mit ihrem Team ist ihr wichtig. Neu war für sie die Spezifik der Blindenschriftherstellung. Aber auch der Umgang mit sehbehinderten und blinden Kollegen ließ sie neue Erfahrungen sammeln. Einmal in der Woche bespricht Steffi Siebert-Hohensee mit ihrer gesamten „Mannschaft“ anstehende Aufgaben, informiert und fragt nach, „wo der Schuh drückt“. „Ein wichtiges Element meiner Arbeit als Fachgruppenleiterin ist es, die Kommunikation innerhalb der Fachgruppe besser zu gestalten, gemeinsam auch neue Wege zu gehen und zum anderen die weitreichenden Erfahrungen aller Beteiligten zu nutzen“, betont Steffi Siebert-Hohensee.

Neue Wege – gemeinsam mit dem Team
Neue Wege geht die Herstellungsleiterin beispielsweise in Sachen Großdruckliteratur, die das dzb lesen seit den Änderungen des deutschen Urheberrechts 2019 wieder für seh- und lesebehinderte Menschen produziert. Auch möchte sie in Zukunft die Erstellung von E-Books, die noch in den Kinderschuhen steckt, voranbringen. „Ich arbeite gern im Team, suche gemeinsam mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nach Lösungen und bin auch entscheidungsfreudig“, beschreibt sie sich selbst. So hat sie beispielsweise ein Kompetenzteam zusammengestellt, das vorhandene Werkzeuge weiterentwickelt, damit die Arbeitsabläufe, sowohl für die Braille- als auch für die Großdruckherstellung, effizienter und schneller werden.

Steffi Siebert-Hohensee hat noch viele Ideen, die sie gemeinsam mit ihrer Fachgruppe umsetzen möchte. In Zeiten der Corona-Pandemie muss sie jedoch ganz andere Probleme lösen. Aber es kommen ja auch einmal Corona freie Zeiten!

„Ich vermisse das Theater …“

Diese außergewöhnliche Zeit der Corona-Pandemie verlangt auch den Nutzerinnen und Nutzern des dzb lesen Einiges ab. Ihr Alltag steckt voller neuer Herausforderungen, schon allein das Einkaufen, der Sicherheitsabstand und die minimierten sozialen Kontakte. Und wie sieht es mit dem Lesen in Zeiten von Corona aus? Wir haben zwei Nutzerinnen gefragt, wie sie diese Zeit erleben.

Karola Bujarski (52) leiht sich Hörbücher im dzb lesen aus. Sie hat sich die dzb lesen-App installiert und lädt sich die Hörbücher auf ihr Handy bzw. ihr iPad herunter.

Wie erleben Sie die Corona-Krise?

Da ich zu einer Risikogruppe gehöre, ich habe mehrere Behinderungen, macht mir diese Krise natürlich Angst. Ich bleibe zu Hause und gehe nur einkaufen, wenn es nötig ist. Dazu habe ich Assistenz, das sind fünf Frauen, die täglich zu mir kommen und mir im Alltag helfen. Auch für diese Frauen trage ich Verantwortung. Es bedeutet aber auch, dass die Assistentinnen das Virus zu mir bringen könnten! Im Allgemeinen verbiete ich mir darüber nachzudenken und hoffe, dass wir alle das gut überstehen!

Was fällt Ihnen in diesen außergewöhnlichen Zeiten besonders schwer? Und was sehen Sie als positiv an?

Ich vermisse das Theater und die Autorenlesungen, die ich gern besuche. Aber ich habe auch viel Neues im Internet entdeckt. Ich glaube, das Wichtigste an diesem Ausnahmezustand ist, dass wir uns des Luxus, den wir gewohnt waren, jetzt so richtig bewusst werden. Ich denke, wenn die Krise vorbei ist, werde ich mit einer ganz neuen Freude ins Theater gehen und die Lesungen wieder ganz neu genießen. Im Allgemeinen empfinde ich diese Zeit als entschleunigend! Man hat mehr Zeit zum Lesen, mal wieder ein neues Strickmuster auszuprobieren oder einfach in der Sonne zu sitzen – auf meinem Balkon versteht sich. Dadurch, dass weniger Autos auf der Straße unterwegs sind, kann man jetzt auch die Vögel besser singen hören! Eine kleine Freude! Aber es ist mir aufgefallen!

Leihen Sie sich jetzt mehr Bücher aus?

Eigentlich habe ich schon immer sehr viel gelesen. Vermutlich sind es jetzt auch ein paar mehr Bücher. Ich habe mir aber angewöhnt, auch mal wieder etwas zu lesen, was ich schon mal gelesen hatte.

Welche Bücher lesen Sie besonders gern?

Ich lese Krimis und Thriller besonders gern: Stephen King zum Beispiel, Dean R. Koontz und Karin Slaughter. Aber auch Biografien und Gedichte mag ich.

Welches Buch können Sie unseren Nutzerinnen und Nutzern besonders empfehlen?

Deniz Yücel „Agentterrorist: eine Geschichte über Freiheit und Freundschaft, Demokratie und Nichtsodemokratie“, ein Sachbuch, den Thriller „64“ des japanischen Autors Hideo Yokoyama, einen Klassiker von Victor Hugo „Die lachende Maske“ und Mariana Lekys bezaubernden Roman „Was man von hier aus sehen kann“.

Franziska Ketelsen (33) leiht sich überwiegend Hörbücher und Hörfilme im dzb lesen aus. Sie arbeitet als Guide im Dialoghaus in Hamburg.

Wie erleben Sie die Corona-Krise?

Ich erlebe die Corona-Krise als sehr schwierig. Es ist nicht einfach, den Abstand einzuhalten, wenn man blind ist. Zusätzlich kommt noch die Maskenpflicht. Da ist es nicht einfach zu kommunizieren.

Was fällt Ihnen in diesen außergewöhnlichen Zeiten besonders schwer? Und was sehen Sie als positiv an?

Schwierig ist es beim Einkaufen, eine Einkaufshilfe im Supermarkt zu bekommen. Es ist auch schade, dass man sich nicht mit Freunden treffen kann. Positiv ist, dass man jetzt viel Zeit im Alltag hat.

Leihen Sie sich jetzt mehr Bücher aus?

Ja, ich habe jetzt mehr Zeit, deshalb leihe ich mir öfter Hörbücher aus.

Welche Bücher hören bzw. lesen Sie besonders gern?

Ich höre gerne Bücher von Henning Mankell oder Stephen King.

Welches Buch können Sie unseren Nutzerinnen und Nutzern besonders empfehlen?

Empfehlen kann ich gern die Hörbücher „Ist das ein Witz?“ von Eckart von Hirschhausen. Der Künstler begegnet in einer Hörbuchserie anderen Witze-Erzählern, z. B. Literaturkritiker Hellmuth Karasek und Jürgen von der Lippe.

Franziska Ketelsen hat noch eine Bitte:

Das Dialoghaus in Hamburg ist wegen der Corona-Pandemie in große finanzielle Schwierigkeiten geraten. Das gemeinnützige Unternehmen wollte eigentlich am 1. April sein 20-jähriges Jubiläum feiern. Nun kämpft es für den Erhalt des Dialoghauses. Wer spenden möchte, findet auf der Internetseite unter www.dialog-in-hamburg.de ein Spendenformular. Vielen Dank!

Nachgefragt

Wenn Buchstaben ähnlich aussehen und gleich klingen

Seit Kurzem können neben blinden und sehbehinderten Menschen auch Menschen mit Legasthenie Medienangebote des dzb lesen ausleihen und kaufen. Etwa zwischen fünf und zehn Prozent aller Menschen haben eine Lese- und Rechtschreibstörung (LRS): auch Legasthenie genannt. Diese Menschen nehmen Bilder, aber auch Laute anders wahr und können deshalb die Sprache nicht gut in Schrift umsetzen – oder umgekehrt: die Schrift in Sprache.
Dr. Maria Rauschenberger (33 Jahre) forscht seit ihrer Promotion an der spielerischen Früherkennung der Lese- und Rechtschreibstörung. Für ihre Promotionsarbeit, die sie mit höchster Auszeichnung erfolgreich abgeschlossen hat, wurde sie zudem mit dem Deutschen Lesepreis 2017 ausgezeichnet. Die 33-Jährige hat ein Computerprogramm entwickelt, mit dem eine Lese- und Rechtschreibstörung bei Kindern bereits frühzeitig erkannt werden soll. Im Interview mit Gabi Schulze erzählt sie von diesem Suchspiel für Kinder und von ihrer eigenen Lese- und Rechtschreibstörung.

Was ist eine Lese- und Rechtschreibstörung und wie äußert sie sich?

In Deutschland sind 5 bis 12 Prozent von der Lese- und Rechtschreibstörung betroffen. Andere Quellen sprechen auch von einer Lese- und Rechtschreibschwäche oder Legasthenie. Eine LRS äußert sich erst negativ beim Erlernen der Schriftsprache (meist in der ersten oder zweiten Klasse). Schwierigkeiten zeigen sich dann meist in allen Schulfächern mit einem erhöhten schriftlichen Anteil. Hauptmerkmal einer LRS sind erhöhte Fehlerraten in der Rechtschreibung und/oder beim Lesen im Vergleich zu den Mitschülern der gleichen Altersklasse. Außerdem wurden Fehlertypen festgestellt, die sich visuell und/oder akustisch ähneln. Beispiele sind „b“ mit „p“ oder „g“ mit „ck“. Personen mit einer LRS haben jedoch keine verminderte Intelligenz, sondern laut jetzigem Forschungsstand eine veränderte visuelle und/oder akustische Wahrnehmung.

Selbst bei ähnlichen sozialen Strukturen, Intelligenzgrad und Trainingsaufwand haben Vergleichsstudien gezeigt, dass Kinder mit einer LRS sehr viel länger für gute Schulleistungen benötigen als die Kontrollgruppe ohne LRS. Oft werden Kinder mit einer LRS erst aufgrund ihrer sehr schlechten schulischen Leistungen in der vierten Klasse oder später entdeckt. Bis zur Diagnose ist der Leidensweg und die Frustration bei Kindern und Eltern bereits sehr hoch, da dem Kind vorgeworfen wird, nicht genug zu lernen und die Eltern beschuldigt werden, nicht genug zu helfen. Eine LRS kann von Personen bei entsprechendem Training kompensiert werden. Allerdings kann es im Erwachsenenalter trotzdem zu Schwierigkeiten kommen. Dies hängt unter anderem vom Grad der LRS, dem Zeitpunkt der Diagnose oder der Qualität des Trainings ab. Personen mit einer LRS zeigen aber erstaunliche Fähigkeiten und gute Strategien in der Kompensation der LRS.

Sie selbst haben eine Lese- und Rechtschreibstörung. Wann wurde bei Ihnen festgestellt, dass Sie Legasthenie haben? Und wie?

Bei mir wurde bereits in der zweiten Klasse aufgrund des Engagements meiner Mutter frühzeitig eine LRS diagnostiziert. Ich war schon immer sehr neugierig und habe alle mit Fragen gelöchert. Weshalb ich mit fünf Jahren auch nicht mehr im Kindergarten sein wollte – es war mir schlicht zu langweilig geworden. Als ich dann in der ersten Klasse nicht die Leistung meiner Mitschülerinnen und Mitschüler erbrachte, haben natürlich alle vermutet, dass es daran liegt, dass ich zu früh eingeschult wurde. Rückblickend kann ich sagen, dass ich als Kind nicht verstanden habe, was die Erwachsenen von mir wollten. Schließlich war ich am Unterricht rege beteiligt und hatte Spaß an den Unterrichtsstunden. Allerdings habe ich diese Zeichen (Buchstaben) nicht entziffern können und irgendwie sah alles sehr ähnlich aus und hörte sich ähnlich an. Das Konzept von Phonem und Graphen und die Struktur der Sprache haben sich mir einfach nicht erschlossen.

Die Diagnose des LRS-Tests war eindeutig: Legasthenie inklusive einer „Störung der akustischen Informationsverarbeitung“, welche dazu führt, dass ich ähnlich klingende Laute oder Wörter nur schwer bis gar nicht unterscheiden kann.

Welche Schwierigkeiten hatten Sie in der Schule durch ihre Lese- und Rechtschreibstörung?

Mir war die Diagnose als Kind ziemlich egal. Aber sie führte dazu, dass meine Eltern anders mit meiner schlechten Deutschnote bzw. Rechtschreib-/Leseleistung umgingen. Ich bekam viel Nachhilfe und war auch zwischenzeitlich in einer speziellen Fördergruppe. Die Grundschule war geprägt von schlechten Noten, die Hausaufgaben ein Desaster und ich wiederholte die zweite Klasse. Aber aufgrund der frühen Diagnose war ich nicht frustriert, sondern immer noch ehrgeizig, wissbegierig und hatte Spaß beim Lernen.

Der Deal mit meiner Mama war: Ich strenge mich an und wenn es dann nicht klappt, ist es okay. Fächer wie Musik, Kunst aber auch Mathe, in denen ich sehr talentiert war, werden auf keinen Fall vernachlässigt. Das bedeutete konkret, ich konnte mit einer sehr schlechten Note in Deutsch nach Hause kommen, aber der Ordner musste trotzdem gepflegt sein und eine schlechte Note in Musik war nicht akzeptabel. Rückblickend eine Meisterleistung meiner Mutter. Sie hat meinen Ehrgeiz erkannt und mir Ziele gesteckt, die ich erreichen konnte.

Keine LRS ist wie die andere. Aus meiner Sicht ist es wichtig, sich die Stärken und Schwächen der Kinder anzuschauen und individuell zu fördern. Mit dieser Ansicht bin ich nicht alleine. Ich habe ca. 4 bis 6 Jahre intensive Unterstützung erhalten und auch danach habe ich kontinuierlich weiter gelernt.

Sie erforschen, ob es schon vor dem Eintritt in die Schule möglich ist, Lese- und Rechtschreib-Schwierigkeiten zu erkennen. Worum geht es genau?

Ein Spiel spielen und danach wissen, ob eine Lese- und Rechtschreibstörung vorliegt. Das ist meine Promotionsidee. Da Kinder im Vorschulalter meist noch keine Buchstaben oder Wörter gelernt haben, sind die herkömmlichen Rechtschreibtests keine Option. Es ist bekannt, dass Betroffene einer LRS beim Hören Laute und Wörter verändert wahrnehmen. Deshalb werden bekannte Spielkonzepte (z. B. ein Suchspiel) umfunktioniert und die Interaktion von Benutzern gemessen. Eine frühzeitige Erkennung von Kindern mit einer LRS ist wichtig, um Betroffenen mehr Zeit zum Lernen einzuräumen. Weniger Frustration beim Lernen und ein gestärktes Selbstbewusstsein sind die Resultate, so dass ein Ausgleich zum mühsamen Erlernen der Schriftsprache geschaffen werden kann und Berufschancen entstehen können.

Sie haben ein Computerspiel für PC, Tablet und Handy, mit dem spielerisch getestet wird, wie Kinder etwas wahrnehmen. Wie genau funktioniert das?

In dem Online-Spiel „DGames“ werden musikalische und visuelle Elemente aufbereitet. Es geht um die visuelle und auditive Wahrnehmung in zwei unterschiedlichen Spielen. Dabei wurden gezielt Aufgaben aus den Erkenntnissen der Neurologie und Psychologie abgeleitet. Bei beiden Spielen handelt es sich um ein Suchspiel. Beim visuellen Spiel wird zunächst kurz ein Symbol bzw. Bild gezeigt. Anschließend erscheint ein Spielfeld mit 4 oder 9 verschiedenen Symbolen bzw. Bildern, die alle so ähnlich aussehen. Die Teilnehmerin bzw. der Teilnehmer klickt so schnell wie möglich auf das richtige Symbol. Danach erscheint ein neues Spielfeld. Die Teilnehmerin bzw. der Teilnehmer haben 15 Sekunden Zeit, möglichst schnell recht viele richtige Symbole zu finden. Das akustische Spiel ist fast genauso, nur dass nun ein Hörbeispiel gefunden werden muss.

Warum forschen Sie gerade zu diesem Thema?

Ich weiß, wie schwer es ist die Lese- und Rechtschreibstörung zu kompensieren. Ich kenne persönlich noch weitere Personen, die dies ebenfalls geschafft haben und sehr erfolgreich sind. Um weitere Personen mit LRS zu fördern, muss Betroffenen mehr Zeit zum Erlernen der Sprache verschafft werden. Außerdem möchte ich gerne dem Stigma entgegenwirken‚ Personen mit einer LRS seien faul oder blöd.

Kurze Vita

Dr. Maria Rauschenberger absolvierte ihren Bachelor of Engineering Medientechnik und anschließend ihren Master im Online-Studiengang Medieninformatik an der Hochschule Emden/Leer. Sie promovierte an der Universität Pompeu Fabra in Barcelona (Spanien) und wurde für Ihre Forschungsarbeit zur spielerischen und sprachenunabhängigen Früherkennung der Lese- und Rechtscheibstörung mit dem renommierten Deutschen Lesepreis ausgezeichnet. Jetzt hofft sie trotz COVID-19 auf weitere Teilnehmerinnen und Teilnehmer für ihre Studien.

Aufruf: Studienteilnehmer gesucht!

Für die weitere Forschung werden aktuell Teilnehmer im Alter von 8 bis 12 Jahren mit und ohne eine Lese- und Rechtschreibstörung gesucht. Für ihre persönliche Einladung zur Teilnahme am Forschungsprojekt schreiben Sie bitte eine E-Mail an teilnehmerforschung@gmail.com oder benutzen Sie das Kontaktformular auf der Webseite unter www.mariarauschenberger.net. Die im Rahmen dieser Studie erhobenen Daten und persönlichen Mitteilungen werden vertraulich behandelt. Des Weiteren wird die Veröffentlichung der Ergebnisse der Studie in anonymisierter Form erfolgen, d. h. ohne dass Daten einer Person zugeordnet werden können.

„Ich war begeistert von der schieren Menge an Hörbüchern“

Welche Bücher hören Menschen mit Legasthenie besonders gern und wie sind sie auf das Hörbuchangebot des dzb lesen aufmerksam geworden. Zwei von ihnen haben uns Auskunft über ihre Lese- und Rechtschreibstörung und ihre Bücherlieblinge gegeben.

Joshua Hillman gehört zu den jüngsten neuen Nutzern. Er mag vor allem „Harry Potter“ und die Sachbuch-Reihe „Was ist was“. Das verrät uns seine Mutter Meike Hillman.

Wann und wie wurde bei Ihrem Sohn die LRS festgestellt?

Bei meinem Sohn wurde in der 1. Klasse eine schwere ADS (Aufmerksamkeitsstörung) diagnostiziert. Aber auch mit Lesen und Schreiben tat er sich schwerer als es intelligenzmäßig zu erwarten war. Es schien aber noch im Rahmen. Wir haben sehr viel geübt und trainiert (auch Augentraining). Jedoch gab es da keine großen Fortschritte. Mit dem Schulwechsel (er ist jetzt in der fünften Klasse) habe ich ihn noch einmal auf LRS testen lassen. Dort bekam ich die klare Diagnose, dass er eine Lesestörung hat.

Wie sind Sie auf unser Hörbuchangebot für Ihren Sohn aufmerksam geworden?

Ich arbeite bei Reinecker Vision und habe mich daher auch immer mal mit dem Thema der Angebote für blinde Menschen befasst. Auf der Sight City 2019 hatte ich mich mit einer ihrer Kolleginnen unterhalten und mir vorgenommen, etwas zu unternehmen. Jetzt gehe ich davon aus, dass bald auch Schullektüre kommt. Und da wollte ich frühzeitig aufgestellt sein und nicht erst loslaufen, wenn es soweit ist.

Welche Hörbücher hört Joshua am liebsten?

„Harry Potter“ ist das, was aktuell am interessantesten ist. Die „Chroniken von Narnia“ sind auch interessant. Bisher hat er allerdings am liebsten „Was ist was“ auf CD gehört und „Mein Bruder ist ein Superheld“.

Mit welchen anderen Büchern machen Sie Ihrem Sohn das Lesen schmackhaft?

Ich lese ihm sehr viel vor. Das sind dann Bücher, die inhaltlich für ihn interessant sind („Die unendliche Geschichte“, „Warrior Cats“, „Drachenzähmen leicht gemacht“). Aber wir haben den Deal, dass er auch mir vorliest. Das sind dann Bücher wie das „Magische Baumhaus“, „Drache Kokosnuss“, Band 4 vom „Snöfrid“. Allerdings hat er sich aktuell in „Moonlight Wolves“ verbissen. Wir kommen hier nur sehr langsam voran, das Buch ist eigentlich zu schwer für ihn.

Natascha Braun arbeitet ehrenamtlich für die Selbsthilfegruppe „Junge Aktive“ im Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V. und geht offen mit ihrer Legasthenie um.

Wann und wie wurde bei Ihnen LRS festgestellt?

Bei mir wurde die Lese- und Rechtschreibstörung erst in der sechsten Klasse durch eine Psychologin getestet und festgestellt. Bei der Testung wurde meine Intelligenz erfasst, Wahrnehmungsprobleme (Hören, Sehen) ausgeschlossen und dann das Lesen und die Rechtschreibung getestet. Wichtig beim Lesetest war, dass ich erst auf Zeit so viele Wörter wie möglich vorlesen musste und dann dasselbe nochmal mit Unsinnswörtern. Am Ende des Tages konnten alle anderen Ursachen für Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten ausgeschlossen werden. Dennoch war ich signifikant langsamer und machte mehr Fehler (beim Lesen und Schreiben) als die Vergleichsgruppe in ähnlichem Alter.

Was machen Sie beruflich?

Ich bin im 4. Semester im Bachelor an der Universität. Ich studiere Germanistik, Politikwissenschaft und Soziologie. Warum gerade das mit Legasthenie? Weil es mich trotzdem interessiert, ich trotzdem gerne lese oder eben Hörbücher nutze und einfach gut im Zeiteinteilen bin. Außerdem bekomme ich einen Nachteilsausgleich im Sinne von mehr Zeit für Hausarbeiten und in Prüfungen.

Sie arbeiten ehrenamtlich für die „Jungen Aktiven“ im Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.V. (BVL). Wie sieht Ihre Arbeit aus?

Wir organisieren zweimal im Jahr Wochenendworkshops mit 25 jungen Menschen mit Legasthenie oder Dyskalkulie und einer Referentin und einem Referenten.
Dabei tauschen wir uns aus, machen uns gegenseitig Mut. Aber ich gehe auch raus in die Welt und kläre über Legasthenie und Dyskalkulie auf Fachtagen, an Schulen etc. auf. In unserem Sprecherteam bin ich speziell für Berichte über die Workshops zuständig. Aber ich bin auch für unseren Newsletter und die Webseiten-Texte verantwortlich.
Ansonsten beraten wir aus eigener Erfahrung und mit viel angeeignetem Wissen per Mail oder übers Telefon. Des Weiteren schreibe ich im „Lebensmutig. Junge Selbsthilfe Blog“ mit.

Wie sind Sie auf unser Hörbuchangebot aufmerksam geworden?

Der Landesverband für Legasthenie und Dyskalkulie war auf einer Veranstaltung, in der er von der Umbenennung und der Öffnung ihrer Institution erfuhr. Später machte der BVL über seine Mitgliederzeitschrift auf ihr Angebot aufmerksam. So besuchte ich ihre Webseite und war begeistert von der schieren Menge an Hörbüchern.

Welche Hörbücher hören Sie am liebsten?

Die Känguru-Chroniken von Marc-Uwe Kling und alle folgenden Teile, „Der abenteuerliche Simplicissimus von Grimmelshausen – wichtige Uni-Lektüre und unterhaltsam. „Harry Potter“ alle Teile und „Die Märchen von Beedle dem Barden“.

Kurz gemeldet

Freunde haben einen neuen Namen

Der Förderverein des Deutschen Zentrums für barrierefreies Lesen (dzb lesen) trägt ab Anfang Mai den neuen Namen „Freunde des barrierefreien Lesens e. V.“ Mit dem Namenswechsel folgt der Förderverein den neuen Entwicklungen des Hauses, das sich in Zeiten der Digitalisierung und in Folge des demografischen Wandels neu orientiert und sowohl sein barrierefreies Literaturangebot als auch seinen Nutzerkreis erweitern wird.

Der Förderverein unterstützt das Zentrum in seinem Vorhaben, mehr barrierefreie Medien für blinde, seh- und nun auch lesebehinderte Menschen herzustellen und anzubieten. So wird der Verein auch weiterhin innovative Projekte zur Bereitstellung barrierefreier Literaturangebote fördern, Veranstaltungen des Zentrums unterstützen, sich der Leseförderung blinder, seh- und lesebehinderter Kinder annehmen, Buchpatenschaften und Spendenarbeit organisieren.

Mit der Umbenennung seines Namens dankt der Förderverein allen engagierten Spendern und Förderern und weist darauf hin, wie wichtig Spendengelder für die Arbeit des dzb lesen sind.

Mehr Informationen unter: www.barrierefreies-lesen.de; www.buch-patenschaft.de
E-Mail: info@barrierefreies-lesen.de

Ein Klappbuch voller Jux

Wer baut den lustigsten Quatsch-Satz? Darum geht es in dem schön gestalteten Klappbuch „Der Quatsch-o-mat“ von Antje Mönnig in Braille- und Großschrift. Kinder haben mit dem Buch jede Menge Spaß an witzigen Satzkombinationen, die durch das Umklappen der vier Teile jeder Seite entstehen. Einfache Satzbausteine, wie Subjekt, Prädikat, Ort- bzw. Zeitangabe plus Objekt können immer wieder zu neuen Quatschsätzen kombiniert werden. Wie wär’s mit: Die Zahnfee verschlingt am Frühstückstisch einen Elefanten?
Der Quatsch-o-mat steckt voller Jux und fördert auf spielerische Weise, ganz ohne erhobenen Zeigefinger, die sprachliche Entwicklung und Leselust der Kinder.

Antje Mönnig: Der Quatsch-o-mat.
1 Klappbuch, Vollschrift und Schwarzdruck, Ausleihe 19274, Verkauf 10297, 15 Euro

Taktile Ausmalbücher: Hier wird jedes Kind zum kleinen Künstler!

Malbücher sind eine wunderbare Art, Kinder zu beschäftigen. Egal ob Mädchen oder Junge – hier wird jedes Kind zum kleinen Künstler! Das Besondere an unseren drei Ausmalbüchern – ihre Bilder sind mit kontrastreichen Konturen aus fühlbarem Lack gezeichnet. So können auch Kinder mit Seheinschränkungen, motorischen Handicaps oder aber auch blinde Mädchen und Jungen zum Ausmalen motiviert werden. Ganz nach den Vorstellungen der kleinen Künstler entstehen mit jeder Menge Kreativität, Ausdauer und vor allem viel Freude ganz eigene Bilder.

Die acht Malvorlagen pro Buch sind vielfältig: Krake, Seepferdchen, Schildkröte können im Ausmalbuch „Tiere im Meer“ nach Belieben koloriert werden. In „Guten Appetit“ warten Eistüte, Muffin, Bonbons darauf, mit bunten Farben zum Leben erweckt zu werden. Und in „Auf der Straße“ finden die Kinder Ampel, Kipplader und Auto zum Bemalen. Wer möchte, kann die kleinen Kunstwerke ganz einfach heraustrennen und an die Wand hängen. Jedes Motiv hat eine Bildüberschrift in Groß- und Brailleschrift.

Drei taktile Ausmalbücher im handlichen Format für Zuhause und unterwegs!

„Auf der Straße“ – ein tastbares Ausmal- und Bastelbuch.
Verkauf 10406, 13,50 Euro

„Guten Appetit“ – ein tastbares Ausmal- und Bastelbuch.
Verkauf 10407, 13,50 Euro

“Tiere im Meer“ – ein tastbares Ausmal- und Bastelbuch.
Verkauf 10408, 13,50 Euro

Unterwegs

Wie kleine Sterne, die immer scheinen

Von einer Reise nach Addis Abeba und taktilen Kinderbüchern im Gepäck
Ein Beitrag von Gabi Schulze

Als die Delegation des Projektes „Inklusive Kommune Leipzig – Addis Abeba“ am 15. Februar 2020 auf dem Bole International Airport in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba landet, ist dort gerade die kleine Regenzeit, eine abgeschwächte Version der eigentlichen Regenzeit, die das Land von Juni bis September segnet. Die über 2000 Meter hoch liegende Stadt empfängt die deutsche Delegation mit angenehmen Temperaturen von über 20 Grad. Zur Delegation gehört auch Ludwig Henne vom Förderverein „Freunde des barrierefreien Lesens e. V.“, er hat 60 taktile Kinderbücher im Gepäck und ist nicht das erste Mal in Addis Abeba. Vor fünf Jahren zum Start des mehrjährigen Projektes besuchte er das Land schon einmal, kam mit vielen blinden und sehbehinderten Menschen ins Gespräch und lernte Land und Leute kennen. Fünf Jahre später nun kommt das Projekt zum Abschluss. Ludwig Henne ist froh, nach den politischen Unruhen und bürgerkriegsähnlichen Zuständen im Land viele ihm ans Herz gewachsenen Menschen wieder zu treffen.

Addis Abeba am Fuße des Berges Entoto wird für ihn und die anderen Delegationsmitglieder zum Ausgangspunkt der Besuche und Zusammenkünfte. Die Stadt gilt als Afrikas heimliche Hauptstadt. Hier hat die Afrikanische Union ihren Sitz und hier befindet sich 85 Prozent der heimischen Industrie. Heruntergekommene Häuser, Kräne und Baugerüste, aber auch viele Kirchen und breite Boulevards zum Shoppen prägen das Stadtbild. „Früher fuhren auf den Straßen überall blau-weiße Taxen. Heute sieht man eher weniger“, erzählt Ludwig Henne. „Hier fahren jetzt so eine Art Uber-Taxen. Sie heißen Ride, sind billig und fair.“ In der Stadt erlebt er sowohl afrikanische Gelassenheit als auch afrikanisches Chaos.

Mein Stadt – Addis Abeba und Leipzig

Über 15 Jahre alt ist die Städtepartnerschaft zwischen Leipzig und Addis Abeba. Während dieser Zeit gab und gibt es immer wieder einen regen Austausch und vielzählige Projekte. Mit dem jüngsten Projekt „Inklusive Kommunen – Nachhaltige Kommunalentwicklung“ wurden 2016 gemeinsame Aktivitäten geplant, die Menschen mit Behinderung mit mehr Bildung und Kultur versorgen sollen. Dazu gehörte auch die Idee, ein inklusives taktiles Kinderbuch für sehende und blinde Kinder in beiden Städten zu gestalten. Kinder aus Leipzig und Addis Abeba zeichneten ihre Stadt und schrieben kleine Texte, auf deren Grundlage entstand dann das Buch. Darin geht es um einen Löwen, der Kinder aus Addis Abeba und Leipzig trifft. Er erfährt von ihrem Alltag, welche Sprache sie sprechen, welche Spiele sie mögen, was sie gern essen und wovon sie träumen. Das taktile Kinderbuch „Meine Stadt – Addis Abeba und Leipzig“ wurde im dzb lesen hergestellt und erschien 2019 in Brailleschrift, Englisch, Deutsch und Amharisch. Neben der Universität Leipzig wirkten auch Schulen der Stadt Leipzig und der Förderverein „Freunde des barrierefreien Lesens e.V.“ (ehemals „Freunde der DZB e.V.“) mit.

Besuch einer Blindenschule unweit der Hauptstadt

Als Ludwig Henne diese Kinderbücher an die Direktoren und Klassenlehrer der Schulen in Addis Abeba verteilt, freut er sich über die begeisterten und lachenden Kinder, die sich um die Bücher versammeln. Viele von ihnen sind blind. Ihre Augenkrankheiten hätten verhindert werden können, gäbe es in Äthiopien eine ausreichende medizinische Versorgung, Aufklärung und Hygienemaßnahmen.
Im 20 km von Addis Abeba entfernten Sebata erlebt die deutsche Delegation in der Sabata School for the Blind einen der vielen ethnischen Konflikte in diesem Land, der auch Auswirkungen auf die Sprache hat. Offizielle Arbeits- und Amtssprache der Zentralregierung und der Hauptstadt des Landes ist Amharisch. Die Schule liegt aber in der Oromo-Region. Die Volksgruppe der Oromo, die die Hauptstadt als das Herzstück ihres Gebietes bezeichnet, hat ihre eigene Sprache und möchte deshalb nicht Amharisch sprechen. „Da das taktile Kinderbuch auf Amharisch und nicht in Oromo erschien, war der Direktor der Schule nicht besonders erfreut“, erinnert sich Ludwig Henne. Die Bücher wären nicht so sinnvoll, meinte er. Später haben wir jedoch erfahren, dass die Schüler auch Amharisch lernen müssen.

Unruhen und Präsidentschaftswahl

Die seit 2015 herrschenden Unruhen mündeten 2018 in der Ernennung des neuen Regierungschefs Abiy, der zunächst einen entschiedenen Reformkurs einschlug und sich für die Dezentralisierung und einen Föderalismus einsetzte. Seit 2019 muss er aber einen blutigen Kampf gegen die ethnischen Nationalisten führen, die die neuen Freiheiten missbrauchen, die Hass und Gewalt gegen andere Ethnien schüren. Für den Mai 2020 kündigte Abiy die ersten freien Wahlen in der Geschichte des Landes an (sind wegen der Corona-Pandemie verschoben wurden). „Auf unserer Reise in eine regionale Blindenschule mit ca. 500 Kindern, ungefähr 120 km nördlich von Addis Abeba, sahen wir schon im Februar mehrere Demonstrationen, die den Präsidentschaftswahlkampf zum Thema hatten“, erzählt Ludwig Henne. „Ich bin besorgt, ob er überhaupt friedlich stattfindet. Äthiopien ist ein sehr fragiles Land.“

Jammen auf dem Campus

Einer der Höhepunkte der Reise ist für den 40-Jährigen der Besuch der Ethiopian National Association of the Blind in Addis Abeba. Hier trifft die Delegation dessen Direktor Wesen Alemu, der ihnen schon im Voraus eine Vielzahl an Kontakten vermittelt hatte. Diese halfen ihnen, die Bücher an die richtigen Einrichtungen zu verschenken. Der sehr engagierte junge Mann, Mitte 30, treibt neue Entwicklungen und die Öffnung des Verbandes voran. Dies stößt jedoch auch innerhalb des Verbandes auf Widerstand. Wesen Alemu führt die Delegation über den Campus des Verbandes. „Hier war ein reges Leben. Viele blinde Menschen saßen beieinander, spielten eine Art Domino, trafen sich im Musikraum zum Jammen oder unterhielten sich einfach nur“, berichtet Ludwig Henne. „Eine fröhliche und ausgelassene Stimmung umgab uns und man sah, dass der Verband ein wichtiger Treffpunkt für blinde Menschen in der Stadt ist.“ Der Direktor zeigt die Braille-Druckerei des Verbandes. Hier laufen einfache Drucker scheinbar rund um die Uhr. Die Leipziger erfahren, dass vor allem Schul- und Lehrmaterial gedruckt wird – aber auch Bücher, die direkt an die Bibliotheken der staatlichen Universitäten im Land gehen.

Die Tage in Äthiopien sind schnell vergangen. Als der Leipziger wieder im Flugzeug sitzt und die reichlich 5500 Kilometer von Addis Abeba nach Leipzig fliegt, hat er statt der 60 taktilen Kinderbücher jede Menge Erlebnisse und einige Kilo des wunderbaren äthiopischen Kaffees im Gepäck. In seiner Erinnerung bleibt das Lächeln der vielen Mädchen und Jungen, die er gesehen hat – wie kleine Sterne, die immer scheinen.

Nahaufnahme

Impressionen eines Theaterbesuchs

Ein Gastbeitrag von Renate Böttger

Mein Geburtstagsgeschenk war eine Einladung ins Eduard-von-Winterstein-Theater und eine Mitfahrgelegenheit nach Annaberg-Buchholz. Auf dem Spielplan am Sonntag, dem 2. Februar 2020, stand die Operette "Die Csárdásfürstin" von Emmerich Kálmán mit Audiodeskription.

Vorspiel

Maike L., Leiterin des künstlerischen Betriebsbüros am Winterstein-Theater und als Mutter einer blinden Tochter für das Thema Inklusion sensibilisiert, absolvierte einen Audiodeskriptions-Workshop, der für Theaterschaffende vom Schauspiel Leipzig angeboten wird, mit dem Ziel, die Teilhabe am kulturellen Leben und damit ein Stück Lebensqualität speziell für Menschen mit Sehbehinderung durch das Hörtheater zu erschließen und umzusetzen. Unter ihrer Regie geriet das Innerste des kleinen altehrwürdigen Theaters in Bewegung. In Judith D., Vorsitzende der Kreisorganisation Erzgebirge des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Sachsen, gewann sie eine engagierte Mitstreiterin, um die Idee vom Musiktheater mit Audiobeschreibung zu verwirklichen.

Erster Akt

Das Foyer des Winterstein-Theaters glich beim Eintreffen der blinden und sehbehinderten Gäste mit ihren Begleitpersonen zwei Stunden vor dem Einlass einem Bienenstock. Alle Mitarbeiter vor Ort bemühten sich, in der für die erzgebirgische Region typischen warmherzigen Art durch Hilfsangebote zum reibungslosen Ablauf des Nachmittags beizutragen.

Auf der Probebühne stellte sich die Dramaturgin der Operette vor und würdigte den Komponisten Emmerich Kálmán und sein bedeutendes Werk. Sie begründete ihre Entscheidung für das Bühnenbild, das den Zeitgeschmack der goldenen Zwanziger überhaupt nicht widerspiegelt, mit der Entstehungsgeschichte unmittelbar vor Ausbruch des ersten Weltkrieges. Die Uraufführung der Operette in drei Akten fand am 17. November 1915 in Wien statt. Die Handlung spielt in Budapest und Wien.

In die Rolle einer lebenden Puppe im Bühnenkostüm schlüpften vier Mitwirkende vor ihrem Auftritt und ließen sich "anfassen". "Die Mädels, die Mädels ..." vom Winterstein-Theater waren Tänzerinnen des externen Balletts und präsentierten sich in langen, seidig schimmernden Bademänteln mit weiten kurzen Ärmeln, die das Darunter verbargen.

Der Darsteller des Grafen Boni, Kumpan des Fürstensohnes Edwin, im Frack und in Lackschuhen stand im wahrsten Sinne des Wortes seinen Verehrerinnen Rede und Antwort. Eine ältere Dame erkundigte sich, während sie die weiße Fliege (mit Gummiband?), das weiße Frackhemd mit gestärkter Pikeebrust, die weiße Seidenweste mit Inhalt begutachtete, nach seinem richtigen Namen. Er sei der Tenor, den sie schon auf der Bühne bewundert habe. Er heiße Jason, lächelte der Sänger charmant. Es schmeichele ihm, dass, wenn schon nicht in seiner Stimmlage Bariton, er wenigstens mit dem Aussehen eines Tenors überzeugen könne. Ich erwischte nur einen muskulösen Arm unter dem Frackärmel und eine unter einer Manschette hervorschauende kräftige Hand.
Einer der Fernsehleute des MDR, der die Szene beobachtete, fragte interessiert, wie sich das denn anfühle. Komische Frage: Wie ein Mann natürlich! Schnitt...
Die Comtesse und Cousine Edwins Anastasia, genannt Stasi, glitzerte in einem langen, dekolletierten Paillettenkleid im Stil der zwanziger Jahre. Sie bezauberte später im Duett mit Edwin über die Schwalben und deren Nestbau.
Auf einen glänzenden Einfall kam die Requisite: Das technische Ungetüm mit Wählscheibe und Kurbel, das bei Bedarf klingelte, aber keinen Anschluss unter seiner Nummer besaß, war ein Telefonapparat, der sich auch ohne Tasten zum Ertasten gut eignete.
Die Aufgabe einer blindengerechten Führung über die Bretter, die die Welt bedeuten sollen, übernahm der Bühnenmeister selbst. Er erklärte anschaulich den Bühnenraum samt seiner Ausmaße, die Funktionsweise der Drehscheibe sowie die Ausstattung des Bühnenbildes mit den darauf befindlichen Objekten.

Zweiter Akt

"Ganz ohne Weiber geht die Chose nicht ...“ Ganz ohne Technik und barrierefreien Zugang funktioniert die Audiodeskription nicht. 40 Empfangsgeräte mit Kopfhörer standen den blinden und sehbehinderten Nutzern als Leihgaben der Oper Chemnitz und des Schauspiels Leipzig zur Verfügung. Sechs Geräte davon probierten neugierige Mitglieder des Ensembles hinter der Bühne aus. Bevor ich die Audio-Einführung mit Beschreibung des Bühnenbildes, der Kostüme und des Erscheinungsbildes der Figuren starten konnte, wurde die Einstellung des Empfangsgerätes für mich zur Herausforderung.

Dritter Akt

Das Publikum der ausverkauften Vorstellung könne erstmalig eine Inszenierung mit Audiodeskription an diesem Theater erleben, versprach der Intendant Dr. Ingolf Huhn und betonte, dass die Realisierung des Projekts in Kooperation mit dem Blinden- und Sehbehindertenverband Sachsen und gefördert durch die Aktion Mensch ermöglicht worden sei. Die Sprecherin der Audiodeskription, Frau Maila Giesder-Pempelforth, die im Vorfeld gemeinsam mit blinden und sehenden Autoren nach einer Video-Aufzeichnung ein Audioskript erarbeitet hatte, war bereits über den Kopfhörer mit ihrer klaren, angenehm klingenden Stimme gut zu verstehen. Da die ausgebildete Schauspielerin die Kunst der Live-Einsprache hervorragend beherrschte, versetzte sie mich in die Lage, dem Geschehen auf der Bühne mühelos zu folgen und die Musik entspannt zu genießen. Das Orchester gehorchte den Befehlen des Dirigenten und spielte mitreißend die bekannten Melodien aus der "Csárdásfürstin". Die Liebesgeschichte nahm ihren Lauf und endete im Finale mit der Bitte der tausend kleinen Englein an alle, sich lieb zu haben.

Nachspiel

Dem Redakteur des Beitrags über Bühnenstücke mit Audiodeskription, der am 3. Februar 2020 im "Sachsenspiegel" des MDR gesendet wurde, bescheinige ich fehlende Empathie und Fachkompetenz. Die Behauptung, blinde und sehbehinderte Menschen gucken auf die Bühne wie in einen "schwarzen Kasten“, ist Klischee und entbehrt jeder Grundlage. Bevor das Spiel auf der Bühne beginnt oder die Musik einsetzt, sich der Vorhang hebt und das Licht im Saal erlischt, wird es erfahrungsgemäß für alle Theater- bzw. Konzertbesucher dunkel.

Gelesen und empfohlen

Eine Goldene Patenschaft für ein Buch gegen den Klimawandel

Ein Beitrag von Claudia Preuß (Förderverein „Freunde des barrierefreien Lesens e.V.“)

„Es waren einmal viele tausend Quietsche-Enten, die reisten in einem großen Schiff über das Meer.“ Das hört sich wie der Anfang eines Märchens an. Ist es aber nicht. Es ist der Anfang eines Mut machenden Kinderbuches von Hanna Schott, „Klimahelden: Von Goldsammlerinnen und Meeresputzern“. Es ist im Neufeld Verlag Cuxhaven erschienen und hat das Potential, zum neuen Buch der Fridays for Future-Bewegung zu werden. Ein Buch, das jedes Kind und jeder Jugendliche gelesen haben muss!

Hanna Schott hätte dieses Buch fast gar nicht geschrieben. Sie sagt, es gibt Wörter, die einfach keine gute Laune machen. Dazu gehörten für sie auch die Wörter wie „Klima“, „Umwelt“ und „Klimawandel“. Da die Erwachsenen Jahrzehnte lang Mist gebaut haben, sollen jetzt die Kinder zu Klimahelden erzogen werden? Auf so ein Buch hatte die Autorin Hanna Schott keine Lust. Aber beim Googeln, Videos schauen und Lesen ist Hanna Schott auf wundervolle Menschen und geniale Ideen gestoßen. Auf Leute, die all ihre Energien aufwenden, damit es unserem Planeten besser geht. Und das Beste: Nicht alle von diesen Leuten sind erwachsen und nicht alle haben studiert oder sind Wissenschaftler. Die meisten haben fast gar kein Geld und sind noch sehr jung. Sie sind Kinder. Man kann das Buch an irgendeiner Stelle aufschlagen und findet Beispiele. Überraschende Geschichten vom Baum-Pflanzer Felix Finkbeiner. Von den Essensrettern Oskar und Mathilde aus Norwegen. Von Isabel und Metalti und ihrem erfolgreichen Kampf gegen den Plastikmüll. Das Buch erzählt von vielen Klimahelden, die ganz normale Kinder sind. Es ist ein lehrreiches und ermutigendes Buch voll interessantem Hintergrundwissen, auch und vor allem für Erwachsene.

Überzeugen Sie sich von der wundervoll einfachen und fantasievollen Sprache der erfahrenen Kinderbuchautorin! Lesen Sie gemeinsam mit ihrer Tochter oder ihrem Sohn die spannenden und ermutigenden Geschichten von nebenan und aus der weiten Welt und lassen Sie sich motivieren, aktiv zu werden.

Dank der Goldenen Buchpatenschaft der Firma F.H. Papenmeier GmbH & Co. KG ist das Kinderbuch jetzt im dzb lesen in Brailleschrift (Voll- und Kurzschrift) und in Großdruck käuflich zu erwerben, aber auch als Hörbuch und in Brailleschrift auszuleihen.

Der Förderverein „Freunde des barrierefreien Lesens e. V.“ hat das Projekt Buchpatenschaft (www.buch-patenschaft.de) ins Leben gerufen, um die Büchernot für blinde, seh- und lesebehinderte Menschen zu bekämpfen. Egal ob Geschäftsführerin, Freund oder Nachbarin, jeder kann ein Buch mit einem beliebigen Betrag fördern und damit den Büchermarkt für blinde, seh- und lesebehinderte Menschen bunter und vielfältiger machen. Die exklusive Buchpatenschaft, die die Firma F.H. Papenmeier GmbH & Co. KG kurz entschlossen übernommen hat, ist ein ganz besonderer Beitrag.

Hanna Schott: Klimahelden: Von Goldsammlerinnen und Meeresputzern
2 Bände, Vollschrift, Ausleihe 19282, Verkauf 10340, 24 Euro
2 Bände, Kurzschrift, Ausleihe 19311, Verkauf 10339 , 24 Euro
1 Broschur, Großdruck, Verkauf 10347, 8,50 Euro
Hörbuch, Ausleihe 49746

Technik getestet

Teufel Radio 3sixty

Ein Gastbeitrag von Katja Löffler

Jetzt geht’s rund … oder doch nicht?

Der Audiohersteller Teufel bezeichnet sein Radio als Weltempfänger des 21. Jahrhunderts und tatsächlich sind die Möglichkeiten dieses Radios äußerst vielfältig. Ich wollte wissen, ob blinde Menschen davon ebenfalls profitieren können und habe mir das "Wunderradio" bei Teufel bestellt.

Was ist das Teufel Radio 3sixty?

Ein kleiner Digitalradiowecker, der ganz viel kann. Neben UKW empfängt er außerdem DAB+ und Internetradio über WLAN. Per Bluetooth kann Musik von einem Smartphone abgespielt werden, und über den 3,5-Klinken-Audioeingang lässt sich das Radio mit CD- oder MP3-Playern verbinden. Ein USB-Anschluss ermöglicht das Abspielen von Dateien auf USB-Sticks. Der Streamingdienst Spotify wird ebenfalls unterstützt. Der Wecker bietet die Möglichkeit, zwei parallele Weckzeiten einzustellen und weckt einen dann mit der gewünschten Audioquelle.

Aussehen und Haptik

Das Radio 3sixty erinnert ein bisschen an ein Radio aus alten Zeiten. Es ist ein kleines, auf vier Füßchen stehendes Radio im Retro-Look mit nach unten abstrahlendem Bassreflexrohr und mit Stoff bespanntem, nach oben abstrahlendem Zwei-Wege-Lautsprecher. Das Radio besitzt Drucktasten, zwei große Drehknöpfe und eine Teleskop-Antenne. Für jede Radioempfangsart gibt es jeweils fünf Stationsspeicher. Das sind insgesamt fünf Tasten, die sich je nach eingestellter Radio-Empfangsart mit Sendern belegen lassen. Positiv hier, die Tasten sind noch richtige Tasten, die sich allerdings leider sehr weit unten am Gerät befinden und sich taktil auch nicht besonders deutlich vom Gehäuse abheben. Über ein Display können Uhr- und Weckzeit abgelesen und das Radio konfiguriert werden.

Der Klang

Ein voller voluminöser Sound, Bässe tief und sauber, gut abgestimmt mit Mitten und Höhen, der Klang füllt kleine bis mittelgroße Räume gut aus. Über das Gerätemenü oder auch mit Hilfe der App lässt sich der Sound über einen Equalizer beliebig anpassen. Für seine recht kleinen Maße spielt das 3sixty richtig groß auf. Absolut kein Vergleich mehr zu früheren Radioweckern, die eher immer ein bisschen wie eine Blechdose klangen. Sowohl beim Hören im Raum, als auch leise als Audioquelle direkt am Bett, hat es mich sehr begeistert. Wirklich ein Hörgenuss! Ich empfand den Sound und vor allem auch die Klangverteilung als sehr angenehm, nahezu perfekt. Über das Gerätemenü oder auch mit Hilfe der App lässt sich der Sound über einen Equalizer aber auch nochmal verändern und beliebig anpassen.

Bedienung und Einrichtung

Die komplette Einrichtung und alle erforderlichen Einstellungen können über das Display am Gerät selbst vorgenommen werden. Es bedarf keiner Software für PC oder Smartphones, um das Radio vollständig in Betrieb nehmen und bedienen zu können. Da das 3sixty nicht Multiroom fähig ist, sich also nicht mit anderen Geräten verbinden lässt, gibt es zunächst keine Smartphone-App für die Bedienung.

Was bedeutet das für unseren Nutzerkreis?

Zunächst einmal, dass blinde Menschen das Radio so nicht selbstständig bedienen und nutzen können. Für die erste Konfiguration braucht man sehende Hilfe. Auch die weiterführende Nutzung ist eher mühsam. Eine der Hauptfunktionen, das Einstellen der Wecker, lässt sich auch nach der Ersteinrichtung von uns nicht selbst vornehmen.

Nachzügler Smartphone App

Mittlerweile hat sich Teufel nachträglich um eine App für Apple und Android Smartphones bemüht, mit der sich das Radio bedienen lassen und auch eine Ersteinrichtung möglich sein soll.

Die Möglichkeiten mit der App für iPhone

Die Ersteinrichtung über die App lässt sich blind nur bewerkstelligen, wenn auf dem Radio werkseitig die neueste Version der Firmware aufgespielt wurde. Dann erscheint beim Einschalten des Radios sofort der Einrichtungsassistent, der durch die Konfiguration führt. Mit dem heimischen Netzwerk verbunden, hat man per App Zugriff auf alle abspielbaren Quellen und Medien. Lieblingssender lassen sich ebenso selbstständig einspeichern, sogar ganz ohne die App. Hat man die gewünschte Radioquelle und einen Sender ausgewählt, braucht man nur auf eine der Speichertasten zu drücken und sie einen Moment lang halten. Es ertönt ein kurzes Signal und der Sender befindet sich am gewünschten Platz.

Die Unmöglichkeiten mit der App

Zum einen: Den Equalizer gibt es zwar in der App, aber er ist für blinde Menschen nicht zugänglich, weil er sich nicht auslesen lässt. Zum anderen: Über die App lässt sich kein Wecker programmieren. Dies geht nur am Gerät selbst und bleibt somit für uns weiterhin unzugänglich.

Fazit

Ein tolles Digitalradio mit unglaublich vielen Funktionen, das für blinde Menschen jedoch nur eingeschränkt bedienbar ist. Daran ändert auch leider die inzwischen verfügbare Smartphone-App nichts. Hier hätte man eine Chance besessen, auch blinden Menschen eine komplett barrierefreie Steuerung des Teufel-Radios zu ermöglichen. Leider wurde diese Chance bisher nicht genutzt.

Fragebogen

Sechs Fragen – sechs Antworten

Mitarbeiter, Partner, auch Freunde des dzb lesen antworten auf unsere Fragen. Diesmal: Antje Kaiser (Informatik)

Was ist Ihre Aufgabe im dzb lesen?

Das Zusammenführen, Verwalten und Auswerten der in den vielfältigen Prozessabläufen (Produktion, Ausleihe, Verkauf) im Haus anfallenden Daten erfolgt über zentrale Datenbanksysteme. Als Mitarbeiterin im Informatik-Team bin ich für die Weiterentwicklungen dieser Systeme ebenso zuständig, wie für die Betreuung der Anwender der Software.

Welche Arbeit haben Sie gerade auf dem Tisch?

Eine meiner aktuellen Aufgaben ist der Umzug unseres zentralen Datenbankservers auf eine neue IT-Technik. Damit dies reibungslos klappt, muss alles perfekt vorbereitet werden. Was beim Wohnungsumzug die Tapeten sind, sind hier Sicherungsstrategien, anzukoppelnde Dienste und Funktionalitäten. Parallel bin ich in die voranschreitenden WebShop-Entwicklungen eingebunden.

In meiner Freizeit beschäftige ich mich am liebsten mit …

… Büchern, meiner Familie, Haus und Garten. Ich walke, fahre Rad und wandere gern.

Welche drei Dinge würden Sie auf eine Insel mitnehmen?

Mein Tablet (inkl. funktionierendem Internet und endloser Literatur), meine Familie und Badezeug.

Haben Sie ein Buch, das Sie empfehlen können?

Eines meiner letzten Highlights war Frank Schätzings „Die Tyrannei des Schmetterlings“. Der Autor erschafft vor dem Hintergrund physikalischer und philosophischer Theorien ein geheimnisvolles und mitreißendes Science-Fiction-Szenario.

Ihr Lebensmotto?

Ich finde, der Spruch „Die Wahrheit liegt immer in der Mitte.“ lässt sich auf sehr viele Lebenssituationen und -fragen anwenden. Schon mein Opa sagte immer: „Von allem ein bisschen und von keinem zu viel.“ Das passt auf das Essen genauso wie auf hochtrabende globale politische Themen und auch auf alles andere irgendwo dazwischen.

Rätsel

Machen Sie mit und gewinnen Sie!

Wir wollen wissen: Wie heißt eine Lese-Rechtschreibstörung noch?

Schicken Sie Ihre Antwort bis 4. August 2020 per E-Mail (presse@dzblesen.de) oder per Post an: dzb lesen, Kennwort: Rätsel „in puncto dzb lesen“, Gustav-Adolf-Straße 7, 04105 Leipzig.

Das können Sie gewinnen: einen Satz taktile Grußkarten (5 Stück)

Mitarbeiter des dzb lesen können nicht teilnehmen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Auflösung aus 1/2020

Die richtige Antwort lautet: Allmen und die Erotik.

Der glückliche Gewinner heißt: Norbert Lieb. Herzlichen Glückwunsch!

Impressum

Herausgeber, Herstellung, Vertrieb

Deutsches Zentrum für barrierefreies Lesen (dzb lesen)
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Redaktion

Gabi Schulze
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Abonnements, Anzeigen
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„in puncto dzb lesen“ wird im Format HTML per E-Mail viermal im Jahr kostenfrei versandt und online unter www.dzblesen.de veröffentlicht. Kostenpflichtig erscheint die Zeitschrift wahlweise im Format DAISY als CD oder Download (dzb lesen-App und -Katalog) sowie in Blindenkurzschrift. Jahresbezugspreis: 9 €.
Das kostenpflichtige Abonnement gilt jeweils für ein Jahr ab Bezugsbeginn und verlängert sich automatisch um ein weiteres Jahr, wenn es nicht spätestens mit einer Frist von drei Monaten vor Ablauf des Bezugszeitraums gekündigt wird. Es gelten die AGB des dzb lesen, die vollständig unter www.dzblesen.de/agb einsehbar. Auf Wunsch senden wir die AGB gern zu.

dzb lesen 2020

Danke Freunde!
dzb lesen wird unterstützt vom Förderverein „Freunde des barrierefreien Lesens e.V.“
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