in puncto dzb lesen - 02 / 2023

02 2023

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

manchmal bedarf es nur einer guten Idee und eines Projektes, das gefördert wird. Dann kommt die Umsetzung der Idee vielen Menschen zugute: so geschehen beim Projekt Lesekiste. Die Braille- und Großdruckbücher der Lesekisten stehen nun bundesweit in den Regalen so mancher Schulbibliothek und werden von den Kindern eifrig ausgeliehen. Wie es dazu kam und wer half, die Lesekisten zu füllen, lesen Sie in dieser Ausgabe.

Rund 200 Bücher werden in unserem Studio jedes Jahr aufgesprochen. Erfahren Sie mehr über die Aufnahme eines Hörbuches, wer hinter den Reglern des Mischpultes sitzt und darauf achtet, dass Aussprache und Betonung auf den Punkt genau sitzen, Tonalität, Lautstärke und Dynamik stimmen.

Wussten Sie, dass Indien das erste Land war, dass den Marrakesch-Vertrag unterschrieben hat? In der indischen Hauptstadt Neu-Delhi fand im März ein internationales Treffen der Bibliotheken für Menschen, die Gedrucktes nicht lesen können, statt. Christiane Felsmann, Leiterin von Bibliothek–Beratung–Verkauf des dzb lesen, reiste als Medibus-Vertreterin zu diesem Treffen. Im Interview berichtet sie von einem ganz besonderen Ort und vermittelt ihre Eindrücke.

Ich hoffe, ich konnte Sie wieder auf einige Themen neugierig machen. Ich wünsche Ihnen nun eine unterhaltsame Lektüre und viel Glück all denen, die bei unserem Preisrätsel mitmachen.

Ihre Gabi Schulze
Redakteurin „in puncto dzb lesen“

Im Fokus

Wie Kobold Tomti und Fliegenpilz Henri zu den Kindern kommen

Bilder- und Kinderbücher begleiten uns durch unsere Kindheit – je mehr es sind, desto besser. Wir erinnern uns als Erwachsene an sie und holen diese für unsere Kinder und Enkelkinder wieder hervor. Neben dem Elternhaus sind es die Schulen und Bibliotheken, die den Kindern den Zugang zur Welt der Bücher schaffen und deren Motivation, selbst zu lesen, fördern. Ein Beitrag von Gabi Schulze über das Projekt „Lesekiste“ aus dem dzb lesen.

Tomti, ein quirliger Kobold, sorgt in Majas Küche für Chaos. Henri, der Fliegenpilz, macht sich auf den Weg, um einen Baum zu retten und Tilda und Walter erfinden – nicht ganz ungefährlich – einen Limonadensprudler …
Es sind spannende und witzige Geschichten, die in der Lesekiste des dzb lesen zu finden sind. Diesen Bücherschatz, gefüllt mit tastbaren Bilderbüchern, Braille- und Großdruckbüchern für Kinder in der Grund- und Mittelstufe hat das Zentrum bundesweit an 48 Förderschulen mit Schwerpunkt Sehen verschickt. „Es war eine große Herausforderung an die Produktion in unserem Haus. Die Herstellung der Bücher für die 48 Lesekisten mit ca. 25 Büchern erfolgte ja zusätzlich zur normalen Produktion“, berichtet Caroline Schürer, Bibliothekarin und für die Leseförderung im dzb lesen zuständig. „Das Projekt wurde vom gesamten Haus gestemmt, alle waren daran beteiligt: die Relieftechnik im Verlag, die Brailleschrift- und Großdruck-Übertragung, Druckerei, Buchbinderei, Versand.“

Unsere Freunde des barrierefreien Lesens helfen
Aber beginnen wir mit dem Anfang und der führt uns zum Förderverein „Freunde des barrierefreien Lesens e.V.“ als wichtigsten Partner für das Projekt. Bisher hatte das dzb lesen vor allem Kontakt zu Schulen mit dem Förderschwerpunkt Sehen in Mitteldeutschland (Weimar, Chemnitz, Halle und Leipzig). Die Kinder dieser Schulen erhielten jedes Jahr ihre Lesekisten mit persönlichen Buchempfehlungen der Bibliothekarinnen. So konnten sie nach Herzenslust schmökern und nebenbei ihre Bibliothek kennenlernen. Doch auch bundesweit erfuhren die Förderschulen von den tastbaren Kinderbüchern aus dem dzb lesen und hatten Interesse daran. Die Idee, die Lesekisten den Förderschulen in ganz Deutschland anzubieten, war geboren. Es musste nur noch eine Finanzierung des neuen Projektes „Lesekiste“ her! Caroline Schürer bat den Förderverein „Freunde des barrierefreien Lesens e.V.“ um Unterstützung. Gemeinsam initiierten sie das Projekt „Lesekiste“. „Der Vorstand des Fördervereins war sofort überzeugt von der Idee, die Leseförderung aktiv und vor Ort in den Schulen mit einer Bücherkiste zu unterstützen. Wir haben dann gemeinsam mit dem dzb lesen ein Projekt daraus entwickelt und uns um die Finanzierung bemüht. Wir schrieben die Paul und Charlotte Kniese-Stiftung und die Herbert Funke-Stiftung an und beide sagten ziemlich schnell ihre finanzielle Hilfe zu“, so die Koordinatorin des Fördervereins Kerstin Küchler.

Produktion und Übergabe der ersten Lesekisten
Das Projekt, das über drei Jahre geht, startete im Sommer 2022 mit der Herstellung der Bücher. Die Schulen wurden angeschrieben und über das Projekt „Lesekiste“ informiert. Schon im Dezember konnten die ersten Lesekisten an die Herman-Helmholtz-Schule in Halle und die Wladimir-Filatow-Schule in Leipzig übergeben werden. „Das war schon ein kleines Event für die Kinder in Halle. Die Aula war geschmückt, überall auf den Tischen lagen unsere Bücher“, erinnert sich Caroline Schürer. „Die Kinder stürzten sich auf die Bücher und fingen an zu erzählen. Ein Junge war so begeistert davon, dass er zu mir kam und mir mitteilte, wie cool er die Bücher findet. Wir lasen einige Stellen aus Büchern vor, von denen wir wussten, dass sie bei den Kindern ankommen. Es war tatsächlich eine kleine Show, die Kinder freuten sich auf uns und die Bücher.“
Bis Ende März 2023 erhielten weitere 46 Schulen in Deutschland kostenfrei eine Lesekiste. Aus allen Ecken des Landes erreichten das dzb lesen positive Rückmeldungen und einige Schulen bekundeten ihr unverbindliches Interesse für eine zweite Lesekiste im neuen Schuljahr, die dann zur Hälfte von der jeweiligen Schule mitfinanziert wird. Die Martin-Bartels-Schule in Dortmund ist von der Auswahl sowie der Qualität der Bücher überzeugt, so dass es für die Schulleiterin Ulrike Witte keine Frage war, die zweite Lesekiste anteilig mitzufinanzieren. „Als Erstes sind die Reliefbücher entliehen worden. Diese kommen bei unseren Grundschulkindern und den Kindern mit zusätzlichem Förderbedarf wunderbar an“, erzählt sie.

Positives Feedback und begeisterte Kinder

Die LVR-Johanniterschule mit Förderschwerpunkt Sehen in Duisburg nutzt die Lesekiste für ihre Schulbibliothek. Die Kinder kommen in ihrer Pause dorthin, um zu lesen oder die Bücher auszuleihen. „Manche Klassen besuchen die Leseoase auch wöchentlich im Rahmen der Leseförderung“, weiß Anke Jegodka zu berichten. „Begeistert haben die Kinder die neue Lesekiste durchstöbert. Besonders gern mögen sie die Bücher, die blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler gemeinsam lesen können, z. B. ‘Mein erster Rätselspaß‘, ‚Meine Stadt‘ oder ‚Woran erkennt man Monster‘?“

Für die Bibliothekarin Caroline Schürer ist die Leseförderung an den Schulen von großer Bedeutung. Dazu gehört auch eine gut ausgestattete Schulbibliothek. Aus ihrer Erfahrung weiß sie ganz genau, was die Kinder gern lesen. Für die Lesekiste hat sie Bücher mit Abenteuer-, Freundschafts-, Liebes- und Tiergeschichten ausgewählt. Aber auch Themen wie der Klimaschutz oder das Anderssein sind dabei, wie zum Beispiel „Ein Baum für Tomti“, „Wie Fliegenpilz Henri das Laufen lernte, um einen Baum zu retten“ oder das Jugendbuch „Mein Bruder heißt Jessica“. Inwieweit die Bücher der Lesekiste von den Schülerinnen und Schüler genutzt werden können, hängt stark vom Engagement der Pädagoginnen und Pädagogen ab. Ein gutes Beispiel dafür ist die Blindeninstitutsstiftung in Regensburg. Deren schulvorbereitende Einrichtung und die Schule des Förderzentrums Sehen hat die Bücher in ihre Bücherei eingepflegt. Sie werden außerdem im Rahmen des Mobilen Sonderpädagogischen Dienstes angeboten. Britta Büchau, Schulleiterin des Blindeninstituts, berichtet: „Jüngere Kinder im Vorschulalter oder Schüler*innen aus der ersten Klasse interessieren sich vor allem für die Tastbücher mit interaktiven Komponenten, z.B. aus der Reihe ‚Mein erster Rätselspaß - Labyrinthe oder Figuren‘ oder der Buch-Reihe Klapperlapapp (Maxi), z.B. zum Thema Jahreszeit Winter. Aber auch Bücher wie z.B. ‚Der Quatsch-o-Mat‘ werden von älteren Kindern gerne gelesen.“

Eine Bibliothek, die die Leseförderung von Kindern ernst nimmt, sucht nach vielen Wegen, die den Zugang zur Welt der Bücher ermöglichen. Das Projekt „Lesekiste“ ist einer davon. Schön, dass die Bücher in den Schulen so gut angenommen werden.

Kurz gemeldet

Das dzb lesen nimmt am bundesweiten Digitaltag teil

Am Digitaltag, dem 16. Juni 2023, finden zahlreiche Aktionen in ganz Deutschland rund um die Digitalisierung statt. Auch das dzb lesen beteiligt sich mit einer Aktion daran. Ab 17 Uhr erfahren Sie Wissenswertes über das Deutsche Zentrum für barrierefreies Lesen, dessen Angebote in den Bereichen Brailleschrift, Hörbuch und Großdruck und dessen Bibliotheks-Services, wie kostenfreie Anmeldung, Recherche und Ausleihe. Wir geben Einblick in den aktuellen Stand und die Entwicklungen im Bereich barrierefreier E-Books und beraten Interessierte zu unserem Angebot an digitalen Zeitschriften. Dazu laden wir Sie herzlich ein und freuen uns auf Ihre Teilnahme.
Den Zugang via Zoom und Telefon finden Sie unter: https://digitaltag.eu/aktion/barrierefreie-e-books-und-digitale-zeitschriften

Übrigens: Unsere nächsten Einsteigerseminare zur Hörmediennutzung (Abspielen von Hörbüchern über dzb lesen-App, Alexa usw.) via Zoom und Telefon finden am 6. September und 8. November 2023 jeweils 17 Uhr statt. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Die Zugangsdaten für Video und Telefon finden Sie unter https://dzblesen.de/ueber-uns/news-publikationen/alle-veranstaltungen

Radio-TV: Fernseh- und Rundfunkprogramme am Telefon hören

Keine aufwendige Programmrecherche im Internet und sofortiger problemloser Zugang zu tagesaktuellen Informationen von ca. 130 Fernseh- und 70 Radiosendern! Das bietet das Abonnement der „Radio-TV“. Hören Sie am Telefon die Programminformationen der Sender, die Sie interessieren, mit einer synthetischen Sprachansage. „Radio-TV“ kann unverbindlich einen Monat lang ohne Anmeldung getestet werden.

Bis 30. Juni 2023 kostet das Abonnement jährlich 48 Euro, ab 1. Juli 52 Euro! Weitere Informationen dazu erhalten Sie telefonisch unter 0341 7113120 oder per E-Mail abo@dzblesen.de. Alle unsere Zeitschriften können Sie auch direkt auf unserer Internetseite www.dzblesen.de im Shop unter Abonnements bestellen.

Aktualisierung der Benutzungsordnung und AGB des dzb lesen

Das dzb lesen hat seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen und die Benutzungsordnung auf den neuesten Stand gebracht. In den AGB wurden folgende Punkte ergänzt: die Zahlung per Paypal ist möglich, Angebot digitaler Braille-Zeitschriften (als BRL-Datei), die über die Internetseite abonniert werden können.
In die Benutzungsordnung des dzb lesen wurde der Passus aufgenommen, dass Institutionen Bücher kaufen und leihen können – auch wenn sie keine Befugte Stelle sind. Sobald ein eigener Bestand aufgebaut wird, ist eine Meldung an das DPMA (Deutsche Patent- und Markenamt) notwendig.

37. Kongress für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik 2023

Vom 31. Juli bis 4. August 2023 findet in Marburg der 37. Kongress für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik statt. Unter dem Motto „Leben. Bildung. Partizipation: individuell - spezifisch – flexibel“ treten Pädagogen und Pädagoginnen und Menschen mit Blindheit und Sehbehinderung in fachlichen Austausch, präsentieren neue und bewährte pädagogische Konzepte, medizinische Erkenntnisse, technische und digitale Hilfsmittel. Das dzb lesen gehört zu den am Kongress Teilnehmenden und wirkt an der Gestaltung des Programmes mit: Prof. Dr. Thomas Kahlisch, Direktor des dzb lesen, hält einen Vortrag zum Thema „Chancen und Herausforderungen bei der barrierefreien Gestaltung digitaler Bildungsmedien für blinde und sehbehinderte Menschen“. Es finden vom dzb lesen initiierte Workshops statt, u. a. „Barrierefreie Angebote für Schule und Freizeit aus dem dzb lesen“, „Taktile Kinderbücher selber machen. Anregungen und Ideen“ oder „Erstellung von Alternativtexten für Abbildungen“. Eine Ausstellung zeigt taktile Bilderbücher, Bücher in Brailleschrift und Großdruck, Ausmal- und Rätselbücher.

Weitere Informationen unter www.vbs2023.de.

Online dzb lesen-Treff im September

Der nächste Tag der offenen Tür im dzb lesen findet wieder im September 2024 statt. In diesem Jahr können sich Interessierte via Zoom und Telefon über neue Projekte des dzb lesen informieren. Es wird im September einige Online-Veranstaltungen geben. Wir informieren Sie demnächst in unserem Newsletter darüber.

Interview

Einmal Neu-Delhi und zurück

Vom 14. bis 19. März fand in Neu-Delhi ein internationales Treffen der Bibliotheken für Menschen, die Gedrucktes nicht lesen können, kurz LPD (englisch: Libraries Serving Persons with a Print Disability), statt. Christiane Felsmann, Leiterin der Abteilung Bibliothek-Beratung-Verkauf im dzb lesen, ist als Medibus-Vertreterin Mitglied dieser Sektion des internationalen Bibliotheksverbandes (IFLA). Sie nahm am LPD-Treffen teil. Die IFLA-Sektion setzt sich weltweit für barrierefreie Service-Leistungen in Bibliotheken ein. Übrigens: Traditionell findet das Treffen immer an einem der Arbeitsorte der Mitglieder statt. In diesem Jahr tagten die Mitglieder in Neu-Delhi, Indien. Über die indische Hauptstadt, den Besuch einer inklusiv gestalteten Stadtteilbibliothek und einen

erfolgreichen Erfahrungsaustausch sprach Christiane Felsmann in einem Interview, das Gabi Schulze führte.

Was für ein Ort ist Neu-Delhi?

Als ich 2011 Prof. Dr. Thomas Kahlisch zu einem Treffen der Weltblindenunion nach Indien begleitete, war ich doch arg erstaunt. Neu-Delhi ist heute wie damals extrem laut. Es gibt ganz viele Menschen. Es ist sehr beengt. Das Leben ist komplett anders als bei uns. Gleichzeitig bemerkte ich auch jetzt wieder, als ich an diesem Ort war: Alle Menschen sind freundlich, egal welchen Job sie ausführen, egal mit welchem Anliegen man kommt, man wird mit offenen Armen empfangen. Diese Offenheit finde ich ganz toll.
Ich erinnere mich, als ich vor 12 Jahren dort war, gab es deutlich mehr Rikschas, Menschen auf ihren Fahrrädern, die riesige Dinge transportiert haben. Heute sieht man viel mehr Autos. Jedes Auto hupt. Das geht gar nicht anders. Stellen Sie sich einen dreispurigen Kreisverkehr vor. Dieser wird sechs- bis siebenspurig befahren. Es ist immer jemand unterwegs. Überall liegt jemand und schläft gerade. Es gibt ganz viele Straßenzüge wo arme Menschen leben und Kühe herumstehen. Überall ist es staubig. Die Luft ist extrem schlecht und es ist trüb und nebelig. Deshalb werden die Menschen z. B. aufgefordert, keine offenen Feuer zu machen und kein Laub zu verbrennen.

Ein großer Teil der Veranstaltungen fand im Indira Gandhi National Centre for the Arts statt. Was ist das für ein Gebäude?

Das war früher einmal ein Hotel. Es ist ein ziemlich großer Komplex an einer viel befahrenen Straße. Er liegt unweit des Regierungsviertels, das übrigens zurzeit auf einem unglaublich riesigen Areal komplett neu gebaut wird. Damit will man wohl den Eindruck erwecken, wie weit entwickelt das Land sei. In dem Gebäude sind mehrere Institutionen vereint, z. B. Bibliotheken. Dort lagert indisches Kulturerbe, also ganz alte Schriften, die mit besonderen Verfahren haltbar gemacht werden. Im Gebäude gibt es eine große Theaterszene und viele Museen. Dieser riesige Komplex wird vom Ministerium für Kultur in Indien geleitet, welches das Treffen mitveranstaltet hat. Dadurch konnten wir die Räumlichkeiten nutzen.

Wie ist das Bibliothekssystem für blinde und sehbehinderte Menschen in Indien aufgebaut? Woher bekommen Menschen, die Gedrucktes nicht lesen können, ihre Literatur?

Es gibt öffentliche Bibliotheken, die sind vor allem Menschen der oberen Schicht vorbehalten. Das sind die, die Zugang zu Bildung haben und die dort auch Gebühren bezahlen. Im Gegensatz dazu gibt es viele Familien, die auf der Straße leben, die können gar nicht lesen. Nur die privat organisierten Bibliotheken sind offen für alle Kasten und kostenfrei. Es gibt aber auch Services für blinde, seh- und lesebehinderte Menschen. Diese haben ganz viele Hörbücher im Bestand. Die Anwendungen sind oft digital, man kann sich die Hörbücher downloaden. Zurzeit öffnet man sich, wie bei uns auch, den lesebehinderten Menschen. Doch der Großteil der Literatur wird aktuell von blinden und sehbehinderten Nutzern und Nutzerinnen ausgeliehen.

Wo werden die Medien für Braille-, Relief- und Hörbücher hergestellt?

Spezialbibliotheken stellen die verschiedenen Medien her. Aber auch die Schulen bereiten das Material in den verschiedenen Editionsformen Braille, DAISY, taktile Medien auf. Das ist vergleichbar mit unserem System.

Sie haben eine inklusive Stadtteilbibliothek in Neu-Delhi besucht. Erzählen Sie uns bitte von ihren Eindrücken!

Wir sind durch einen sehr maroden Stadtteil gefahren, wo es noch nicht einmal eine Kanalisation gab. Es stank überall und es war dreckig und chaotisch. Mittendrin wurden wir von einer netten jungen Dame in Empfang genommen. Sie führte uns zu einem Haus mit einem breiten Eingang, über dem „Alle sind willkommen! Every one is welcome!“ stand. Wir gingen in einen hellen Raum mit verschiedenen Abteilungen, wo man in Ruhe sitzen konnte. Ähnlich wie bei uns in den Bibliotheken. Sehr beeindruckend war, dass in den vielen Regalen neben Schwarzdruckbüchern auch Braille- und Großdruckbücher standen. Es gab zusätzlich auch Hinweise darauf, dass die Schwarzdruckbücher als Hörbücher oder digitale Braillebücher ausleihbar sind. In einem anderen Raum, wo sehende Menschen saßen und lasen, standen mehrere Braillezeilen auf den Tischen. Sehende, blinde und sehbehinderte Menschen kommen hierher und alle werden gleichbehandelt. Es gibt dort eine Freifläche außerhalb der Bibliothek. Überall dort, wo eine Treppe war, gab es eine Rampe, die man bedienen konnte. Elektrische Fahrgelegenheiten ermöglichen körperlich eingeschränkten Menschen den Zugang, so dass sie alle Bereiche nutzen können.
Man fand dort außerdem auch Literatur zu Themen wie Islamophobie oder Homophobie, die in anderen Bibliotheken gar nicht bedient werden, weil diese im indischen Alltag nicht erwünscht sind. Die Bibliothek geht auch sehr kritisch mit dem Kastendenken um. Jeder Mensch soll die gleichen Voraussetzungen haben und auch den Zugang zu Bildung erhalten – unabhängig von seiner Herkunft. Die Bibliothek ist auf Initiative von Ehrenämtlern aufgebaut worden. Sie wird privat finanziert von engagierten Menschen und Stiftungen, die Geld haben und damit etwas bewirken wollen. Der Bestand der Bibliothek ist vergleichbar mit einer Stadtteilbibliothek.
Außerdem hat mich noch eine andere Bibliothek beeindruckt. Sie war Teil eines Begegnungszentrum von und für Frauen, die Opfer eines Säureanschlags geworden sind. Diese Frauen betreiben nebenbei noch ein Café. Auch diese Bibliothek wurde privat finanziert.

Der Besuch einer der vielen Universitäten in Neu-Delhi stand außerdem auf dem Plan. Was haben Sie dort besichtigt?

Auf dem riesigen Universitätscampus besuchten wir eine Entwicklungsabteilung, die speziell für die Barrierefreiheit von Anwendungen zuständig war. Die Leute dort testen neue Apps, entwickeln aber auch analoge Hilfsmittel und Medien. Diese Techniker haben für einen 3D-Drucker ein Verfahren entwickelt, das Matrizen für das Tiefziehverfahren herstellt. Es wurde weiterentwickelt, so dass jetzt statt der anfänglich 200 Folien nun schon 600 Folien gezogen werden können. In einem großen Raum saßen viele Programmierer zusammen, die barrierefreie Apps entwickelten. Gleichzeitig hat man gesehen, dass neben digitalen Anwendungen auch die analogen wie Tiefziehverfahren, Relief-Herstellung mit Schwellpapier und andere Materialien genutzt werden. Die Abteilung arbeitet mit blinden und sehbehinderten Studenten und Studentinnen zusammen, die so Zugang zu digitalen und analogen Dienstleistungen bekommen.

Was brachte Ihnen der Erfahrungsaustausch mit den anderen internationalen Bibliotheken während des Treffens?

Der Erfahrungsaustausch hat mich u. a. motiviert, unsere bestehenden Kooperationen mit den Öffentlichen Bibliotheken weiter voranzutreiben. Die Öffentlichen Bibliotheken weltweit stehen eigentlich alle vor den gleichen Herausforderungen: Sie sollen für alle Menschen zugänglich sein. Die Museen sind da schon ein Stück weiter. Diese bieten immer mehr auch inklusive Angebote an. Bei Bibliotheken, die eigentlich gleichrangige Einrichtungen sind, ist das noch lange nicht so verbreitet. Hier fehlen Bibliotheksdienste, die inklusiv sind. Sicher wird nicht jede Öffentliche Bibliothek in Zukunft Braille- und Hörbücher im DAISY-Format im Bestand haben. Dafür wird es auch in Zukunft Spezialbibliotheken geben, die die Braillebücher herstellen. Aber Öffentliche Bibliotheken müssen für alle zugänglich sein. Das fängt beim baulichen barrierefreien Zugang an, geht über die digitale Barrierefreiheit, also Kataloge, die barrierefrei recherchierbar sind bis hin zum Buchbestand, inklusiv dessen barrierefreien Formaten (Brailleschrift, Großdruck oder Hörbuch im DAISY-Format, E-Books). Für Nutzer und Nutzerinnen soll ersichtlich sein, in welchen Editionsformen und in welcher Bibliothek ein Buch ausleihbar ist. Das ist noch Zukunftsmusik. In Brüssel gibt es aber auch schon eine Bibliothek, in der das realisiert wird. Dort findet man auf vielen Büchern Hinweise darauf, dass diese in Brailleschrift, Großdruck oder im DAISY-Format vorrätig sind und in welcher Bibliothek man sie ausleihen kann.

Vielen Dank, Frau Felsmann, für das Interview!

Porträt

„Das Vorlesen eines Buches ist immer Schauspielkunst ...“

Was haben ein Posaunist und ein Windsurfer gemeinsam? Sie brauchen beide genügend Puste. Beim ersten ist es die Atemluft, die ins Instrument geblasen werden muss, beim zweiten der Wind, der ins Segel bläst. Krystian Furmanek spielt Posaune und liebt das Windsurfen. Tätig ist er als Aufnahmeleiter im Hörbuchstudio des dzb lesen. Davor arbeitete er als Techniker für Musikproduktionen und sorgte für den guten Ton bei Musikaufnahmen. Heute bietet er als Hörbuch-Aufnahmeleiter statt Musiker*innen größtenteils Schauspieler*innen eine Bühne und arbeitet mit ihnen gemeinsam am gesprochenen Wort. Ein Beitrag von Gabi Schulze.

Wenn er über seine Arbeit spricht, dann spürt man, wie sehr ihn Sprache begeistert und wie er die Arbeit der Hörbuchsprecherinnen und -sprecher schätzt. Durch eine Glasscheibe vom Sprecher oder von der Sprecherin getrennt, sitzt Krystian Furmanek in einer schallgedämmten Aufnahmekabine vor seinem Rechner, dem Mischpult und dem Mikro, immer bereit, die Lesung zu unterbrechen, wenn sich der bzw. die Lesende verspricht oder es Probleme mit der Aussprache gibt. Im Regal an der Seite liegen die Bücher, die er gerade lesen lässt oder die noch gelesen werden. Sein Arbeitstag ist durch die Lesungen genau strukturiert, jede umfasst ungefähr zwei Stunden.

Bevor die Regler am Mischpult aufgezogen werden

Zu Beginn der Hörbuchaufnahme legt Krystian Furmanek dem Sprecher verschiedene Hörzeitschriften bereit, die er zur Einstimmung auf das Hörbuch lesen soll. Auf dem Pult dampft eine Tasse mit frisch gekochtem Tee. „Der Sprecher muss warm werden. Er braucht einen Text zum Einstimmen“, erklärt Krystian Furmanek. „Die Erwärmung ist gut für seine Stimme. Damit wird sie zum Laufen gebracht.“ Er erläutert, dass die Stimme ein sehr sensibles Instrument ist, die jeden Tag anders klingen kann. Er habe dafür zu sorgen, dass die Stimme der Sprecherinnen und Sprecher bei unterschiedlichen Lesungen immer die gleiche ist.
Zurzeit hat er fünf Sprecherinnen und Sprecher. Bis vor einem knappen Jahr waren es doppelt so viele. Doch da er die Arbeit eines pensionierten Studiotechnikers übernommen hat, sind es weniger Hörbuch-Aufnahmen, die er betreut. Aktuell nimmt er das Sachbuch „Revolutionär und Staatsgründer: Jósef Piłsudski - Eine Biografie“ von Wolfgang Templin auf, das der Sprecher Enrico Petters liest. Kein reines Geschichtsbuch, wie der Aufnahmeleiter beteuert, sondern durch viele Episoden spannend erzählt.

„Ich drücke nur die Knöpfchen …“

Seine Aufgabe als Aufnahmeleiter sei es, optimale Bedingungen für den Sprecher/die Sprecherin zu schaffen, sowohl technisch als auch „ringsherum“, meint Krystian Furmanek: „Ich schaffe die Voraussetzungen, damit der Sprecher frei agieren kann. Es ist seine Bühne und ich bin sein erster Zuhörer. Ich drücke nur die Knöpfchen und der Sprecher macht die eigentliche Arbeit. Das ist der Kern, deshalb braucht er ein gutes Klima und muss sich wohlfühlen. Der Sprecher vertraut dem Aufnahmeleiter und weiß, dieser meldet sich, wenn irgendetwas komisch rüberkommt.“ So kann er ruhig und entspannt lesen und für die zukünftigen Hörer und Hörerinnen eine fiktive atmosphärische Welt erschaffen.

„Der Zuhörer muss die Geschichte in seinem Kopf entwickeln …“

Es ist das Miteinander zwischen Aufnahmeleiter und Sprecher, das Krystian Furmanek an seiner Arbeit gefällt. Wie soll das Buch gelesen werden? Die Aufnahme eines Buches lässt immer einen gewissen Interpretationsspielraum zu. Wichtig ist jedoch, dass der Sprecher/die Sprecherin die Position des Autors/der Autorin einnimmt – egal ob ihm das Buch persönlich gefällt oder nicht. Der Aufnahmeleiter achtet darauf und korrigiert, falls der Sprecher/die Sprecherin zu engagiert liest. „Der Zuhörer muss die Geschichte in seinem Kopf entwickeln und die Bilder dazu selbst erschaffen. Der Sprecher darf nur einen kleinen Schubs in diese Richtung geben“, meint der Aufnahmeleiter. „Das Vorlesen eines Buches ist immer Schauspielkunst, aber mit anderen Mitteln, also nicht mit Mimik und Gestik, sondern mit der Stimme und der Sprache.“ Für ihn ist eine Lesung gelungen, wenn Aussprache und Betonung auf den Punkt genau sitzen, Tonalität, Lautstärke und Dynamik stimmen. Am Anfang hat Krystian Furmanek den Text immer direkt mitgelesen, jetzt konzentriert er sich auf das Hören. Er weiß, durch die visuelle Aufnahme des geschriebenen Textes kann es sein, dass Fehler von ihm im wortwörtlichen Sinn überhört werden können. Verspricht sich der Vorlesende, dann stoppt der Aufnahmeleiter die Lesung und sein Gegenüber korrigiert den Fehler. Auch bei störenden Geräuschen, wie zum Beispiel Magenknurren, Doppelatmer oder Stuhlknarren, wird die Aufnahme wiederholt.

„Es ist ähnlich wie beim Rodeo…“

Krystian Furmanek ist überzeugt von seinen Sprecherinnen und Sprechern. Geht der Vorlesende entspannt und locker in die Aufnahme, dann kann er auch Wörter unterschiedlicher Sprachen größtenteils fehlerfrei lesen. Es gibt Sprecherinnen und Sprecher, die bereiten sich auf die Lesung vor. Andere lesen sogar prima vista, also aus dem Stand. Der Aufnahmeleiter weiß: „Es ist ähnlich wie beim Rodeo. Der Sprecher muss den Text beherrschen und sich nicht von ihm abwerfen lassen, dann steigt er in die Geschichte ein und bringt sie glaubhaft rüber. Nach drei Minuten Aufnahme ohne Versprecher liest der Sprecher nicht mehr nur vor, sondern er beginnt, den Text zu beherrschen. Er gestaltet ihn. Bei flüssigen Texten kann er auch bis zu 40 Minuten ohne Versprecher durchlesen.“ Als große Herausforderung für ihn und den Sprecher nennt er in diesem Zusammenhang ein Sachbuch über Johann Sebastian Bach. Hier fehlte die Struktur und es gab mehr Quellenangaben als eigentlichen Text. Die Lesung dauerte sehr lange, weil sie aufgrund der sperrigen Texte viele Male unterbrochen werden musste.

Der Sprecher/die Sprecherin lesen maximal drei Stunden pro Sitzung. Zwar ist ihnen dann die „Puste“ noch nicht ausgegangen, aber die Konzentration lässt nach. Die hohe Qualität eines Hörbuches ist jedoch sowohl der Anspruch von Sprecherinnen und Sprechern als auch der ihres Aufnahmeleiters Krystian Furmanek. Letztendlich entscheiden die Hörerinnen und Hörer, ob ihnen die Aufnahme des Hörbuches gefallen hat.

Vorgestellt

Medibus: Wer gehört dazu?

In dieser Ausgabe setzen wir die Reihe fort, in der wir Ihnen einige Bibliotheken vorstellen, die in der Arbeitsgemeinschaft Medibus vereint sind. Seit 2004 organisiert Medibus Bibliotheken und Produzenten im deutschsprachigen Raum, welche Medien für blinde, seh- und lesebehinderte Menschen herstellen. Neben der Koordination der Produktion seiner Mitglieder übernimmt der Verein auch beratende Funktionen. Vor allem aber stellt Medibus einen Zentralkatalog, der unter medibus.info abrufbar ist, zur Verfügung. Hier kann man nach Titeln recherchieren, die die einzelnen Braille- und Hörbuchbibliotheken vorrätig haben. Die Bibliotheken tauschen ihre Medien untereinander aus, so dass den Nutzerinnen und Nutzern ihrer Stammbibliothek eine Vielzahl an Büchern zur Verfügung steht. Zurzeit wird die Plattform für barrierefreie Leseangebote in den Bereichen Brailleschrift, E-Books und Großdruck ausgebaut und soll ab 2024 für die Nutzerinnen und Nutzer bereitstehen.

Deutsche Blindenbibliothek der blista in Marburg

Die Deutsche Blindenbibliothek der blista in Marburg gibt es seit 1915. Ein Jahr später gründeten der blinde Professor Carl Strehl und der damalige Leiter der Marburger Augenklinik Professor Dr. Alfred Bielschowski die Deutsche Blindenstudienanstalt e. V., kurz blista genannt. Soldaten, die durch den ersten Weltkrieg erblindet waren, konnten so ihr Studium fortsetzen. Von der Bibliothek erhielten sie die notwendige Literatur zur Ausleihe. Heute produziert die blista vor allem Schulliteratur in Brailleschrift für den eigenen Gebrauch und die Inklusion. Die Schulbücher sind aufwändig herzustellen. Neben der Schulbuchproduktion werden jährlich ca. 60 belletristische Titel in Brailleschrift und 130 Hörbücher hergestellt. Die Bücher können auch über die App „Leselust“ und über den Alexa Skill ausgeliehen werden.

Wir haben Andrea Katemann, Leiterin der Deutschen Blindenbibliothek und Mitglied im Vorstand der Mediengemeinschaft für blinde, seh- und lesebehinderte Menschen, Medibus, einige Fragen gestellt.

Was ist das Besondere an der Deutschen Blindenbibliothek der blista?

Wir haben einen Schwerpunkt zum Thema Kinder- und Jugendbuch. Dabei denken wir besonders an das gemeinsame Lesen und Vorlesen von blinden Angehörigen und sehenden Kindern. Hier bieten wir inzwischen einige Werke zur Ausleihe an.

Wie sieht ihr Arbeitsalltag aus?

Mein Arbeitsalltag hat mit vier Bereichen zu tun. Als Leiterin der Bibliothek habe ich mit der Buchauswahl, den Weiterentwicklungen unseres Kataloges und Anfragen rund um die Bibliothek zu tun. Außerdem koordiniere ich bei uns das Thema digitale Barrierefreiheit. Wir sind gerade Prüfstelle im BITV-Verbund geworden, die Webseiten testet und ein sogenanntes Prüfsiegel vergeben darf. Als dritter Bereich gewinnt das Thema "Inklusives Publizieren" für meinen Arbeitsalltag immer mehr an Bedeutung. Man hat inzwischen immer wieder mit Verlagen, besonders aus dem Bildungsbereich, zu tun, die Beratung zum Thema Barrierefreiheit wünschen. Ab 2025 sind Verlage aufgrund des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes dazu verpflichtet, ihre E-Books in barrierefreier Form anzubieten. Zuguterletzt kümmere ich mich um Angelegenheiten in der Medibus-Geschäftsstelle. Hier geht es um die Beantragung und um die Umsetzung von Projekten, um Katalogisierungsfragen und um Fragen von Nutzerinnen und Nutzern.

Medibus e.V. baut ja gerade eine zentrale Plattform für barrierefreie Leseangebote in den Bereichen Braille, E-Books und Großdruck auf. Was bedeutet das speziell für ihre Bibliothek?

Wie auch in den anderen Bibliotheken der Medibusvereinigung wird man bei uns Braillebücher und barrierefreie E-Books im Download ausleihen können. Wir hoffen, durch dieses Angebot insbesondere den Bedürfnissen von Nutzenden entgegenzukommen, die über unterschiedliche Wege digital von unterwegs lesen wollen.

Welche spannenden Vorhaben gibt es 2023 in ihrer Bibliothek?

Passend zu unserem Schwerpunkt möchten wir weitere Buchreihen für Kinder und Jugendliche umsetzen. Wir arbeiten daran, populäre Sachbücher schneller zugänglich zu machen.

Welches Hörbuch gehört zu Ihren Favoriten im Jahr 2022?

Zu meinen Favoriten gehört „Unterleuten“ von Juli Zeh. Es spielt in einem kleinen, brandenburgischen Dorf und behandelt Themen wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit, Umgang mit ostdeutscher Vergangenheit und die Gegensätze zwischen Stadt und Land, in einem klaren, präzisen Sprachduktus.

Gelesen und empfohlen

Humor ist, wenn man trotzdem lacht!

„Du darfst nicht alles glauben, was du denkst: meine Depression“ von Kurt Krömer - empfohlen von Liane Völlger (Bibliothekarin)

Kurt Krömer, mit bürgerlichem Namen Alexander Bojcan, ist depressiv und schreibt darüber. Schonungslos offen und gleichzeitig lustig berichtet Deutschlands beliebtester und bekanntester Komiker von seiner psychischen Erkrankung, von seinen kruden Gedankenspiralen, tiefer und anhaltender Traurigkeit und dem Weg zurück in ein „normales“ Leben. Sein Ziel ist es, mit seinen Erfahrungen Menschen zu helfen, die ebenfalls unter Depressionen leiden.

Durch die einfache, anschauliche und witzige Sprache stellt Krömer eine Verbindung zum Leser her, der sich in Symptombeschreibungen, Arztbesuchen und Klinikaufenthalten wiederfinden kann und vielleicht sogar denkt: „Hey, bei mir ist das doch genauso!“

„Du darfst nicht alles glauben, was du denkst“ ist ein unkonventioneller, direkter und der Ernsthaftigkeit des Themas zum Trotz humorvoller Blick auf die weit verbreitete Erkrankung Depression.

CD DAISY (04:24 h), Ausleihe 61037

Ein Leben, das auf einer Lüge beruht

„Die Gierigen“ von Karine Tuil – empfohlen von Gabi Schulze

In seinem früheren Leben konnte der arabischstämmige Samir nicht genug bekommen – von den Maisfladen, die seine Mutter jeden Morgen gebacken hatte. Er wuchs in unterschiedlichen Elendsvierteln in Frankreich auf. Als Student trifft er auf Nina und Samuel. Eine Dreiecksgeschichte entspannt sich zwischen dem Trio. Nina entscheidet sich für Samuel und Samir verlässt als erfolgreicher junger Anwalt Paris. In den USA löscht er jede Erinnerung an seine armselige muslimische Herkunft, schafft es mit einer jüdischen Identität – statt Samir nennt er sich jetzt Sam – in höchste Gesellschaftskreise. Er heiratet die Tochter eines einflussreichen jüdischen Geschäftsmannes. Zwanzig Jahre später erfahren Nina und Samuel, die ein eher bescheidenes Leben führen, vom Erfolg Samirs aus den Medien. Sie beschließen, Samir zu treffen und bringen damit einen Stein ins Rollen, der unaufhaltsam die Lebenslüge aller drei zum Platzen bringt. Am Ende sitzt Sam wieder bei seiner arabischen Mutter und bekommt keinen Bissen herunter. Doch er wagt einen zweiten Anfang.

Eine temporeiche Geschichte über Schein und Sein, Figuren, die einem trotz der abstoßenden Charaktere sympathisch sind, und jede Menge aktueller Themen wie Diskriminierung, Terrorismus, Geld und Macht.

DAISY-CD (12:29 h), Ausleihe 32350

Technik getestet

Eindrücke von der SightCity 2023

Ein Beitrag von Susanne Siems

Auf der Webseite sightcity.net steht, es sei die größte internationale Fachmesse für Blinden- und Sehbehinderten-Hilfsmittel. Über 100 Aussteller aus mehr als 20 Ländern wurden erwartet, wie viele es am Ende wirklich waren, konnte bei Redaktionsschluss dieses Artikels am 15. Mai noch nicht genau gesagt werden.
Am Donnerstag, den 11. Mai, als wir, das Team LOUIS, die Messe besuchten, waren die Messehallen in jedem Fall voller Menschen. Erstmals fand die SightCity Frankfurt am neuen Standort im Kongresshaus Kap Europa statt, ca. 15 Minuten Fußweg vom Hauptbahnhof. Schon am Bahnhof begrüßten die gelb gekleideten Messehelfer für sie erkennbare Messegäste, um sie zum Veranstaltungsort zu begleiten. Das war auch in früheren Jahren so und ist ein toller Service. Überhaupt muss ich sagen, dass man sich als sehbehinderte Person sehr gut auf die Messe vorbereiten konnte. Der vom Hessischen Blinden- und Sehbehindertenbund e.V. herausgegebene Messekompass im DAISY-Format oder in einer barrierefreien PDF-Datei ist eine wirkliche Unterstützung. Man hat vor Ort die Möglichkeit, Messe-Guides zu buchen. Leider haben sich die Preise für eine Stunde Guide um das Doppelte erhöht.

Es ist schwer, nach vier Stunden Messebesuch einen Überblick zu bekommen. Mein Kollege und ich hatten im Vorfeld gut aufgeteilt, wer welche Stände besucht. Dennoch haben wir sicherlich nur einen Bruchteil des wirklichen Angebotes gesehen. Hier ein paar unserer Entdeckungen:

DAISY-CD-Player i-Speak
Am Stand von Rehan Electronics, einer niederländisch-deutschen Kooperation mit einer eigenen Firma in Irland, fand ich einen DAISY-CD-Player, der besonders durch einfachen Bedienkomfort besticht. Er nennt sich i-Speak, kostet knapp 500 Euro und kann wohl auch über die Krankenkassen finanziert werden. Es wird sicherlich in einer der nächsten Ausgaben unseres Kundenmagazins einen speziellen Artikel in der Rubrik „Technik getestet“ zu diesem Gerät geben.

OrCam Read
Neugierig war ich schon vor Messebeginn auf die neue OrCam, die OrCam Read. Aber wie das manchmal so ist, mit der Realität konfrontiert, ist die Begeisterung dann doch schnell vorbei. Die OrCam Read ist in erster Linie für Legastheniker und Menschen mit Dyslexie entwickelt worden. Sie ist zwar mit etwas über 2000 Euro im Vergleich zur OrCam MyEye preiswerter, kann aber nicht über die Krankenkassen finanziert werden.
Die OrCam Read beschränkt sich auf die Vorlesefunktion, soweit, so gut. Aber sie hat einen für mich entscheidenden Nachteil – sie muss nun auch wie andere Vorlesesysteme beim Lesen in der Hand gehalten werden. Für mich bestand der Charme der OrCam aber gerade darin, dass ich das Buch halten konnte wie ein Mensch, der es ohne Hilfsmittel liest. Dieser Vorteil gegenüber Apps wie SeeingAI und LookOut fällt nun praktisch weg. Die OrCam Read hat einen eingebauten Laser, darum ist sie auch wieder etwas größer als die MyEye. Man hält die Kamera wie einen Stift in der Hand. Für Sehbehinderte ist der Laserpfeil sicherlich recht gut zu erkennen, für blinde Menschen ist die OrCam kein geeignetes Hilfsmittel.
Ich persönlich würde mich dann doch lieber für die aktualisierte Variante der OrCam MyEye entscheiden. Diese kann nun zum Beispiel durch Sprachbefehle gesteuert werden, die Akkulaufzeit hat sich verlängert und es können Bluetooth-Kopfhörer angeschlossen werden.

Software für Automaten in Selbstbedienungsrestaurants
Am Stand der Firma Dolphin, einigen bekannt unter anderem durch die Vergrößerungssoftware SuperNova, erfuhr ich, dass die Software EASY-Reader zum Lesen von Büchern seit Ende 2022 auch für den PC kostenlos zur Verfügung steht. Wir werden das testen. Interessant fand ich eine Lösung für Automaten in Selbstbedienungsrestaurants, die zumindest auch Sehbehinderten die Bedienung solcher Terminals erleichtern soll. Die sogenannte Kiosk-Software bietet den Vergrößerungskomfort von SuperNova in Verbindung mit der Kiosk-Software. Irgendwo im Prospekt stand auch etwas von einer Brailleausgabe, das haben wir allerdings am Stand nicht sehen können.

Bildschirmlesegerät von Reinecker
An vielen Ständen habe ich Bekanntes gesehen - mir scheint, viele Firmen möchten ihre vorhandenen Produkte weiterentwickeln. Bei Reinecker beeindruckte mich ein Bildschirmlesegerät für die Schule, bei dem man Anfangs- und Endpunkt der Lesefläche definieren konnte, so dass es sich selbstständig über die Seite bewegt. Kann ich mir gut für sehbehinderte Musiker, die vom Blatt spielen wollen, vorstellen. Derzeit wird das aber nur für den schulischen Bereich finanziert.

Braillezeile Activator
Mein Kollege sah sich bei den Braillezeilen um. Da gab es etwas sehr Innovatives am Stand von Helptech, die „Activator“ genannte Braillezeile. Dank einer Klapptastatur sind sowohl Punktschrift- als auch Schwarzschrifteingabe möglich. Über ein magnetisches SmartDock kann diese Tastatur mit dem iPhone und einer App gekoppelt werden.

Display von Matapo
Die tschechische Firma Matapo, Produzent des BlindShell Telefons, zeigte ein Display, das Grafiken und Fotos taktil erfassbar macht – Dot Pad. Die Idee ist gut, der Preis mit 12.000 Euro sehr hoch. Gut kann man sich das im schulischen Bereich vorstellen. Wobei die Idee, Fotos taktil erfahrbar zu machen, zwar lobenswert aber vielleicht auch sehr optimistisch ist. Mein blinder Kollege testete das Dot Pad und fand es für Grafiken gut und mit Potential für die Zukunft.

Dies sind nur einige der Entdeckungen, die wir in 4 Stunden Messebesuch machen konnten. Erwähnen möchte ich noch gern, dass jetzt auch der Milestone 212 mit WiFi ausgestattet ist. Um mehr von der SightCity zu erfahren, möchte ich Ihnen den Podcast vom Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund e.V. empfehlen. Christian Stahlberg, der als ehrenamtlicher Hilfsmittelberater dort tätig ist und den Podcast seit ein paar Jahren gestaltet, hat zahlreiche Interviews mit Herstellern auf der Messe geführt. Wir hatten in einer der letzten Ausgaben von „in puncto dzb lesen“ bereits auf seinen Podcast hingewiesen. Die sehr interessanten Interviews finden Sie unter www.sightviews.de., u.a. zum Beispiel über den oben von mir kurz erwähnten Activator.

Die nächste SightCity findet vom 15. bis 17. Mai 2024 statt.
Sollten Sie Fragen an unser LOUIS-Team haben, melden Sie sich gern bei uns per Mail (louis@dzblesen.de) oder telefonisch. Vielleicht haben wir gleich eine Antwort für Sie, ganz sicher aber suchen wir immer nach einer Lösung für Ihr Technikproblem.

Fragebogen

Sechs Fragen – sechs Antworten

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter antworten auf unsere Fragen. Diesmal: Maria Exner (Hör- und Großdruckbibliothek)

Was ist Ihre Aufgabe im dzb lesen?

In der Hörbücherei bin ich zusammen mit meiner Kollegin Jana Waldt für viele Vorgänge rund um die Ausleihe von Hörbüchern zuständig. Dazu gehören das Bearbeiten der Bestellungen, das Brennen der Hörbücher und Hörfilme auf CD, die Beratung unserer Hörerinnen und Hörer und die Auswahl der Hörbücher entsprechend Ihren Wünschen. Ich bearbeite aber auch die Vorgänge in der Großdruck-Ausleihe und katalogisiere neue Titel im Medibus-Katalog.

Welche Arbeit haben Sie gerade auf dem Tisch?

Neben dem Tagesgeschäft gibt es auch einzelne kleinere Projekte. Ich bearbeite gerade einen größeren Schwung neuer englischsprachiger Punktschrifttitel, die wir im Medibus-Katalog nachweisen wollen.

In meiner Freizeit beschäftige ich mich am liebsten mit …

… Dingen, die sich selbst herstellen lassen. Ob frisch Kochen mit Zutaten aus eigenem Anbau, Hühnerhaltung, die mir neben frischen Eiern gleichzeitig den Dünger für die Pflanzen liefert, Nähen in kleineren und großen Projekten, Häkeln, Stricken usw. Alles, was ich mit meiner eigenen Hände Arbeit erschaffen oder nach meinen Wünschen ändern kann, macht mich glücklich.

Welche drei Dinge würden Sie auf eine Insel mitnehmen?

Ein Werkzeugset, Kochtopf und natürlich Bücher.

Haben Sie ein Buch, das Sie empfehlen können?

„Der Gesang der Flusskrebse“ von Delia Owens (Hörbuch-Ausleihe 61110) hat mich sehr berührt.

Ihr Lebensmotto?

Wer ernten will, muss säen. In allen Lebensbereichen.

Rätsel

Machen Sie mit und gewinnen Sie!

Wir wollen wissen: Wo findet der 37. Kongress für Blinden- und Sehbehindertenpädagogik in diesem Jahr statt?

Schicken Sie Ihre Antwort bis zum 9. August 2023 per E-Mail (presse@dzblesen.de) oder per Post an: dzb lesen, Kennwort: Rätsel „in puncto dzb lesen“, Gustav-Adolf-Straße 7, 04105 Leipzig.

Das können Sie gewinnen: Ein Set aus drei Grußkarten (Geburtstags-, Weihnachts- und „Viel Glück!“-Karte)

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des dzb lesen können nicht teilnehmen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

Auflösung aus 1/2023

Die richtige Antwort lautet: Der erste Band der Dabiri-Walder-Trilogie heißt „Schwarzlicht“.

Der glückliche Gewinner heißt: Willi Kuerpick. Herzlichen Glückwunsch!

Impressum

Herausgeber, Herstellung, Vertrieb

Deutsches Zentrum für barrierefreies Lesen (dzb lesen)
Gustav-Adolf-Straße 7, 04105 Leipzig
Telefon: 0341 7113-0, Fax: 0341 7113-125
info@dzblesen.de, www.dzblesen.de

Redaktion

Gabi Schulze
Telefon: 0341 7113-148
g.schulze@dzblesen.de

Abonnements, Anzeigen

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abo@dzblesen.de

„in puncto dzb lesen“ erscheint viermal im Jahr kostenfrei im Format HTML per E-Mail, online unter www.dzblesen.de und in Braille-Kurzschrift digital. Kostenpflichtig erscheint die Zeitschrift wahlweise im Format DAISY als CD (Jahresbezugspreis 11,00 €) oder zum Download in dzb lesen-App und -Katalog (9,00 €) sowie in Braille-Kurzschrift gedruckt (11,00 €). Das kostenpflichtige Abonnement gilt jeweils für ein Jahr ab Bezugsbeginn und verlängert sich automatisch um ein weiteres Jahr, wenn es nicht spätestens mit einer Frist von drei Monaten vor Ablauf des Bezugszeitraums gekündigt wird. Es gelten die AGB des dzb lesen, die vollständig unter www.dzblesen.de/agb einsehbar sind. Auf Wunsch senden wir die AGB gern zu.

dzb lesen 2023

Danke Freunde!

dzb lesen wird unterstützt vom Förderverein „Freunde des barrierefreien Lesens e. V.“

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