in puncto dzb lesen - 02 / 2025
Ausgabe 02 / 2025
Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
kennen Sie diese Situation? Man denkt an eine bestimmte Person, im nächsten Moment klingelt das Telefon, und genau diese Person ruft an. So ähnlich ging es mir bei der Arbeit an dieser Ausgabe. Ich hatte den Artikel „Unterwegs in den Magazinen“ gerade geschrieben, als sich ein Leser per E-Mail meldete: Er würde gern mehr über den Arbeitsalltag meiner Kollegen in der Braillebibliothek erfahren. So ein Zufall!
Schon lange geplant und Ende April gestartet ist die digitale Ausleihe von Braillemedien. Die Bibliotheksleiterin Nina-Kathrin Behr gibt in dieser Ausgabe Auskunft über das neue Angebot. So erfahren Sie mehr über den Braille-Download im dzb lesen.
Kein Zufall und schnell vereinbart war das Treffen mit Maja Chrenko, Schauspielerin und Hörbuchsprecherin im dzb lesen. Im Interview erzählt sie von einem Buch, in dem es um eine in der Antarktis verschwundene Pilotin geht, und verrät, wie sie zum Theater gekommen ist.
Alle, die gern verreisen und ihren Urlaub nicht gern dem Zufall überlassen, lädt unser neuer taktiler Tourismusführer nach Sachsen ein. Der erste Teil „Dresden, Sächsische Schweiz und Elbland“ stellt Sehenswürdigkeiten und Landschaften in Brailleschrift und Großdruck vor, ergänzt wird er durch tastbare Bilder und Audio-Informationen.
Wenn Sie jetzt rein zufällig neugierig auf diese Ausgabe sind, dann freut mich das und mir bleibt nur noch, Ihnen eine interessante und unterhaltsame Lektüre zu wünschen.
Ihre Gabi Schulze
Redakteurin „in puncto dzb lesen“
Im Fokus: 200 Jahre Brailleschrift
In diesem Jahr wird die Brailleschrift, die nach ihrem Erfinder Louis Braille benannt ist, 200 Jahre alt. Deshalb stellen wir Ihnen in den kommenden Ausgaben Menschen vor, deren Tätigkeit im dzb lesen vor allem mit der Brailleschrift zu tun hat.
Unterwegs in den Magazinen oder wer die Ausleihe am Laufen hält
Standhaft steht er da: ein Überbleibsel aus vergangenen Zeiten, ein Relikt aus dem Bibliothekswesen – der Zettel- oder auch Katalogkasten. Wer im Magazin der Braillebibliothek auf der ersten Etage im Haus 9 unterwegs ist, entdeckt ihn neben dem Fahrstuhl. Mit Hilfe seiner Sammlung aus Karteikarten fand man einst einen Schatz an Braillebüchern. Doch das ist lange her. Heute verwalten Heiko Kampa und Anatoli Krüger tagtäglich mittels Computertechnik ein kleines und überschaubares Reich. Die Braillebibliothek des Deutschen Zentrums für barrierefreies Lesen hat einen Bestand von reichlich 20.000 Brailletiteln und 7.300 Braillenoten. Aber nur ein Teil der Bücher lagert in den Magazinen. Auf den fünf Etagen des Hauses 9 stehen Reihe für Reihe, Regal für Regal schwarze Koffer mit endlos viel Wissen, Informationen und Geschichten in Brailleschrift. „Wir stellen immer einen Titel der von uns produzierten Bücher ins Regal. Aus Platzmangel nehmen wir jetzt neue Titel von anderen Braillebibliotheken, wie zum Beispiel Marburg und Zürich, digital auf und speichern sie. Wenn jemand ein Buch ausleihen möchte, wird es gedruckt und dann an den Nutzer geschickt“, sagt Heiko Kampa. Im letzten Jahr beging er sein 35-jähriges Dienstjubiläum. Heiko Kampa las schon immer viel und wollte wissen, wie Bibliotheken arbeiten. Da er nach dem Abitur zu DDR-Zeiten keinen Studienplatz erhielt, absolvierte er an der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig eine Ausbildung zum Bibliotheksfacharbeiter. Im Frühjahr 1989 bewarb er sich auf eine Stellenanzeige der damaligen DZB und arbeitete zunächst in den Magazinen. Später übernahm er immer mehr auch die Kundenberatung und klassische Tätigkeiten eines Bibliothekars, wie zum Beispiel Medienerwerb und Bestandspflege.
Mit dem Rollwagen in den Versand
Alle Magazinarbeiten erledigt heute Anatoli Krüger, der seit 1996 im dzb lesen ist. Er bucht die Bücher, die von den Leserinnen und Lesern zurückkommen, im Bibliothekssystem aus, transportiert sie in die Magazine zurück und ordnet sie in die Regale ein. Umgekehrt sucht er die zur Ausleihe bestellten Titel heraus, bringt sie auf Rollwagen in den Versand und verbucht sie für die Ausleihe im System. Haben die Nutzerinnen und Nutzer Wunschlisten erstellt, dann erhalten sie für jeden zurückgesandten Titel einen neuen Titel aus ihrer Wunschliste. „Ein Titel ist erst wieder ausleihbar, wenn alle Bände vorrätig sind und kein Band fehlt“, erklärt Heiko Kampa.
Für beide Bibliotheksmitarbeiter startet der Arbeitstag mit dem Aufrufen der täglichen Ausleihliste im Bibliothekssystem. Hier erscheinen automatisch erstellte Titel, die auf Grundlage der Wunschlisten an die Braillelesenden verschickt werden. Heiko Kampa und Anatoli Krüger prüfen die Listen und korrigieren eventuelle Fehler bzw. Unregelmäßigkeiten. Wie viele Bücher bzw. Koffer das am Tag sind, richtet sich nach der Anzahl derer, die am Vortag zurückgekommen sind. So verlassen täglich zwei Postcontainer mit Braillebüchern das dzb lesen.
Kundenberatung am Telefon
Ab 9 Uhr beginnt für Heiko Kampa die Kundenberatung am Telefon. „Haben Sie meinen ersten und zweiten Band vergessen? Ich habe schon den dritten bis sechsten Band erhalten?“ Oder: „Da war doch mal so ein Titel mit einem König? Leider weiß ich nicht mehr, wie das Buch heißt. Können Sie mal suchen?“ Der Kontakt zu seinen Kundinnen und Kunden ist Heiko Kampa sehr wichtig. Der Bibliotheksmitarbeiter hilft ihnen beim Finden von Büchern und berät sie bei der Buchauswahl. Natürlich ist er auch gern für einen kleinen Plausch bereit und hat ein offenes Ohr für die Alltagssorgen der Anrufenden. Vor Kurzem rief ihn eine Nutzerin an: „Ich kann immer schlecht einschlafen. Und dann lege ich mich mit einem Braillebuch ins Bett und lese noch ein bisschen bis ich müde werde.“ Das stimmt ihn zufrieden.
Braillebücher-Hitparade
Momentan hoch im Kurs stehen in der Braille-Ausleihe vor allem skandinavische Kriminalromane, historische Romane, Heimat- und Liebesromane, weiß Heiko Kampa zu berichten. Die Liste der 2024 am meisten ausgeliehenen Titel führt die Familiengeschichte „Denn Familie sind wir trotzdem“ von Heike Duken an. Ihr folgt im Bereich Belletristik „Eine Fingerkuppe Freiheit“ von Thomas Zwerina, ein Porträt des Brailleschrift-Erfinders Louis Braille, und die Familiensaga „Das Brauhaus an der Isar“ von Julia Freidank. Besonders freut sich Heiko Kampa, dass die Kingsbridge-Reihe von Ken Follett mit seinen bisher 56 Brailleschriftbänden – bis auf den ersten Band – in Leipzig produziert wurde und hier ausleihbar ist. Band 5 „Die Waffen des Lichts“ ist in Produktion. Diese umfangreiche Braillebuch-Produktion ist jedoch eher eine Ausnahme.
Bestandspflege mit anderen Bibliotheken
Wenn das Telefon nicht klingelt, nimmt Heiko Kampa die Daten von neuen Nutzerinnen und Nutzern in die Datenbank auf und bearbeitet eingegangene E-Mails mit Ausleihwünschen. Es kommt auch vor, dass ein Kunde oder eine Kundin nach einem Titel fragt, der in den Braillebibliotheken nicht ausleihbar ist, dann meldet er dieses Buch als Lesewunsch für die Produktion an. Die Arbeit macht ihm Freude und ist vielseitig. So kümmert er sich auch um den Bestand der Bücher. Ist ein Buch beim Versand verlorengegangen, muss es nachproduziert und wieder in den Bestand eingearbeitet werden. Neuanschaffungen, die aus anderen Braillebibliotheken wie der SBS Zürich oder dem BIT-Zentrum München eingekauft werden, erweitern den Bestand an Braillebüchern im dzb lesen. „Seit einigen Jahren tauschen wir alle Titel, die neu produziert wurden, mit Marburg aus. Da gibt es eine für beide Seiten gute Zusammenarbeit“, meint Heiko Kampa. Nicht unerwähnt lassen möchte er den internationalen Austausch mit der National Library Service for the Blind and Print Disabled (NLS) in Washington und der RNIB in London auf dem Gebiet der fremdsprachigen Literatur: „Interessierte bestellen bei uns die meist englischsprachigen Bücher. Ich frage dann die Titel in der NLS an und deren Service schickt sie uns digital. Diese werden dann bei uns ausgedruckt und den Nutzerinnen und Nutzern zugesandt.“ Ein positiver Nebeneffekt der Zusammenarbeit mit den beiden Bibliotheken in Washington und London ist auch, dass der Austausch von digitalen Braillenoten angeschoben wurde und dadurch der Bestand erweitert wird.
Ging vor 35 Jahren, als Heiko Kampa seine Tätigkeit im dzb lesen begann, die Zeit der Karteikarten und Katalogkästen zu Ende und hielt die elektronische Datenverarbeitung Einzug, bilden heute computergestützte Onlinekataloge das funktionelle Rückgrat der Bibliothek. Das momentan wichtigste Thema in der Braillebibliothek ist die Digitalisierung der Ausleihprozesse für Braillemedien. Seit April können Leserinnen und Leser erste digitale Braillemedien herunterladen. Für Heiko Kampa und Anatoli Krüger heißt das, sich wieder neuen Aufgaben zu widmen.
Ein Elfchen zum 200. Jubiläum: Machen Sie mit!
Zum 200. Jubiläum der Brailleschrift rufen wir Sie in den vier Ausgaben unseres Kundenmagazins 2025 auf, uns Ihre ganz persönliche Beziehung zur Brailleschrift in Form eines Elfchens mitzuteilen. Ein Elfchen ist ein kurzes Gedicht bestehend aus elf Wörtern in fünf Zeilen. Sie haben uns schon viele schöne Elfchen geschickt. Manche schrieben gleich mehrere zur Auswahl. Herzlichen Dank dafür! Hier möchten wir Ihnen einige vorstellen:
- Braillebuch/ist dick/eine spannende Geschichte/wo es immer weitergeht./Lesen. (Tanja Kinastberger)
- Tastend/folgen Finger/unzähligen gepunkteten Wegen./Abenteuer, Reisen, Wissen, Inspirationen/zugänglich. (Annette Spindler)
- Leise/Meine Finger/streicheln das Papier/erfassen so die Welt./Blind. (M. Webel)
- Punkte/Sechs Punkte,/inzwischen sogar acht,/bedeuten mir die Welt!/Merci!
(Lydia Sasnovskis) - Sechs,/fünf, vier,/drei, zwei, eins./Diese paar Punkte ergeben/Braille.
(Josef Arens) - Coupvray?/Louis Braille/stammt von dort./Es ist ein Pariser/Vorort.
(Ingrid Vieweg) - Punkte/unter Fingern/machen Worte fühlbar./Lesen, Wissen, Freiheit, Teilhabe./Phänominal. (Norbert Lieb)
Die drei Gewinner dieser Ausgabe sind: Hilda Böttcher, Ingrid Vieweg und Bettina Hanke.
Sie erhalten ein kleines Überraschungsgeschenk.
Wenn Ihnen auch ein Elfchen einfällt, dann schicken Sie es uns bis spätestens 11. August 2025 per E-Mail an presse@dzblesen.de oder per Post an: dzb lesen, Kennwort: Elfchen „in puncto dzb lesen“, Gustav-Adolf-Straße 7, 04105 Leipzig. Wir verlosen wieder drei Überraschungsgeschenke.
Kurz gemeldet
Olga Grjasnowa liest im dzb lesen
Anlässlich der Jüdischen Woche in Leipzig liest Olga Grjasnowa am 18. Juni 2025, 19 Uhr aus ihrem aktuellen Roman „Juli, August, September“. In diesen drei Monaten versucht Lou, Kunsthistorikerin, Ende 30, mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Berlin lebend, einen Weg aus ihrer Lebenskrise zu finden. Sie reist nach Gran Canaria, wo sich ihre zerrissene und in alle Winde verstreute jüdische Familie anlässlich des Geburtstags von Großmutter Maya trifft. Bei diesem Familientreffen kommen einige Konflikte, jahrzehntealte Verletzungen und Lügen wieder hoch: „Geschichten, die man im Laufe des Lebens unterschiedlich erzählt". Doch statt danach wieder nach Berlin zurückzukehren, fliegt sie kurzentschlossen nach Israel.
Ein feinfühlig erzählter Roman mit subtilem Humor!
Wir laden Sie recht herzlich in unser Haus (Leipzig, Gustav-Adolf-Straße 7) ein. Wer nicht vor Ort ist, kann die Lesung auch via Zoom erleben.
Zugangsdaten: https://us06web.zoom.us/j/81309662362
Meeting-ID: 813 0966 2362
Weitere Infos dazu finden Sie auf unserer Internetseite www.dzblesen.de unter Veranstaltungen.
3 Bände, Voll-/Kurzschrift Ausleihe 22100/22101, 2 Bände Großdruck, Ausleihe 1008
Neue Fantasy-Reihe als Fortsetzungsroman: „Flammengeküsst“
Von der Welt der Drachen und den Kämpfen der Drachenreiter, von fesselnden Abenteuern und heimtückischen Machenschaften, von großen Gefühlen und der Magie der Liebe – davon erzählt die actiongeladene Fantasy-Reihe „Flammengeküsst“ von Rebecca Yarros.
Die ersten drei Bände „Fourth Wing“, „Iron Flame“ und „Onyx Storm“ erscheinen ab Anfang Juni 2025 als Fortsetzungsromane in Braillekurzschrift im dzb lesen.
Im Mittelpunkt der Reihe steht die 20-jährige Violet Sorrengail, die im Königreich Navarre wider Willen eine gefährliche Ausbildung zur Drachenreiterin antreten muss. In der Militärakademie kämpft sie gegen ihre Widersacher und begegnet dem mysteriösen Xaden Riorson, für den sie Abneigung und Faszination zugleich empfindet. Doch das Königreich wird von innen und außen bedroht und Violet steht plötzlich vor der Aufgabe, ihr Land zu beschützen.
Lassen Sie sich in die fiktive Welt rund um das Königreich Navarre entführen. Tauchen Sie ein in eine Drachensaga, in der Drachenreiter mit übernatürlichen Kräften gegen ihre Feinde kämpfen und erleben Sie eine vor Spannung knisternde, leidenschaftliche Liebesgeschichte.
Format: Braille-Kurzschrift (gedruckt) und digital (BRL-Datei)
Umfang: ca. 65 Hefte für Band 1 bis 3
Erscheinungsweise: wöchentlich
Preis: 87,75 Euro (gedruckt, Braille-Kurzschrift), 74,75 Euro (digital, BRL-Datei)
Vorbestellungen: abo@dzblesen.de oder telefonisch 0341 7113-120
Bitte vergessen Sie nicht, das gewünschte Format anzugeben.
1000 Titel: Der Bestand der Großdruck-Ausleihe wächst
Seit 2022 stellt das dzb lesen Großdruckbücher für Menschen mit Seh- und Lesebehinderung zur Ausleihe bereit. Der Bestand ist seitdem stetig gewachsen und umfasst jetzt 1000 Titel. In den letzten Monaten neu hinzugekommen sind vor allem aktuelle Bücher, aber auch Klassiker, Kinderbücher, Unterhaltungs- und Kriminalromane: beispielsweise „Das Café ohne Namen“ von Robert Seethaler, „Lichtungen“ von Iris Wolff, aber auch „Meistererzählungen“ von Stefan Zweig oder „Der Gesang der Flusskrebse“ von Delia Owens. Egal ob jung oder alt – für jeden ist die passende Lektüre dabei!
Die Bücher haben eine deutlich größere Schrift (17pt), ein klares Schriftbild mit ausreichendem Zeilenabstand und serifenlosen Schriftarten, deren Buchstaben sich deutlich voneinander unterscheiden, so dass der Text von Personen mit Sehbehinderung bzw. mit Legasthenie oder Dyslexie besonders gut lesbar ist.
Stöbern Sie in unserem Online-Großdruckkatalog (www.dzblesen.de/bibliothek/grossdruck) und leihen Sie sich Ihre Bücher in großer Schrift kostenlos aus. Oder aber lassen Sie sich den Großdruckkatalog kostenfrei per E-Mail oder gedruckt gegen Gebühr schicken. Gern nehmen wir auch Ihre Lesewünsche entgegen und prüfen deren Umsetzung.
Weitere Informationen erhalten Sie telefonisch unter 0341 7113-116/-118 oder per E-Mail grossdruck@dzblesen.de.
Digitaltag: Barrierefreie E-Books – Einblick, Entwicklung und Nutzung
Im Rahmen des Digitaltags laden wir Sie am 27. Juni 2025, 17 Uhr herzlich zu einer Online-Veranstaltung ein, die zentrale Entwicklungen und Perspektiven rund um barrierefreie E-Books beleuchtet. Mit dem Inkrafttreten des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes am 28. Juni 2025 müssen E-Books und digitale Leseangebote künftig so gestaltet sein, dass sie für alle Menschen zugänglich sind – unabhängig von individuellen Voraussetzungen.
Expertinnen und Experten des Deutschen Börsenvereins, des Verlages Penguin Random House und der Mediengemeinschaft für blinde, seh- und lesebehinderte Menschen Medibus e. V. berichten in einer moderierten Gesprächsrunde über gesetzliche Anforderungen, bisherige Fortschritte und offene Herausforderungen in der praktischen Umsetzung.
Ergänzt wird die Diskussion durch praxisnahe Einblicke aus der Perspektive von Nutzenden: Wie werden digitale Leseangebote genutzt? Welche grundlegenden Anforderungen gibt es und welche Formate ermöglichen eine barrierefreie Anwendung? Im Anschluss beantwortet das Expertenteam die Fragen der teilnehmenden Gäste.
Die Zugangsdaten finden Sie auf www.dzblesen.de unter Veranstaltungen.
Interview
Was Sie über den Download von Braillebüchern wissen müssen
Zum Welttag des Buches am 23. April 2025 starteten die Medibus-Bibliotheken ihr neues Informationsportal www.medibus.info. Hier findet man einen schnellen Überblick über den Bestand der Bibliotheken in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Gleichzeitig begann an diesem Tag auch die digitale Ausleihe von Braillemedien. Braillebücher können jetzt digital heruntergeladen und mit der Braillezeile überall und unterwegs gelesen werden. Gabi Schulze sprach mit Nina-Kathrin Behr, der Leiterin der Bibliothek, über das neue Angebot und wie dieser Service im dzb lesen genutzt werden kann.
Über welche Wege können Nutzerinnen und Nutzer ihre Braillebücher herunterladen?
Über unseren Online-Katalog. Auf unserer neue Internetseite www.dzblesen.de/bibliothek/braillemedien findet man alle Brailletitel zum Herunterladen.
Dann über das BliBu-Katalogprogramm, wo man auch recherchieren und die Titel herunterladen kann. Und man findet unsere Titel auch in dem neuen Medibus-Katalog unter www.medibus.info.
Für blinde Nutzende empfiehlt sich das BliBu-Katalogprogramm, weil es leicht zu bedienen ist. Wir haben dazu auch eine Anleitung auf unserer Internetseite hinterlegt.
Die dzb lesen-App, ein anderer Weg, die Bücher herunterzuladen, wird voraussichtlich ab Ende Juni 2025 zur Anwendung kommen. Dann wird neben dem Download von Braillebüchern im BRL-Format auch der von E-Books möglich sein.
Muss man sich, wenn man Brailletitel herunterladen möchte, wie beim Hörbuchdownload mit Passwort anmelden?
Ja, das muss man. Die Recherche in unseren Online-Katalogen ist ohne Anmeldung möglich. Sobald Sie sich jedoch ein Buch ausleihen möchten, müssen Sie sich mit E-Mail-Adresse und Passwort anmelden. Wer jedoch schon Hörbücher herunterlädt und das Angebot unserer Hörbibliothek nutzt, kann das Passwort verwenden, das er schon für den Hörbuch-Download erhalten hat. Die Anmeldedaten für den Hörbuch-Download gelten auch für den Braille-Download.
In „Mein Konto“ erhält man einen Überblick, welche Hör- und jetzt auch welche Braillebücher man ausgeliehen hat.
Wer noch nicht für „Mein Konto“ angemeldet ist, muss sich freischalten lassen und erhält von uns ein Passwort.
Wie viele Bücher welchen Genres finden die Nutzerinnen und Nutzer im Katalog?
Sie finden 185 Titel im Katalog, davon 121 in Kurzschrift und 64 in Vollschrift. Das sind Bücher, die wir seit 2023 in Brailleschrift produziert haben. Dazu gehören Bücher der Genre Belletristik, Sachbücher und Kinderbücher, die als BRL-Dateien aus dem Katalog heruntergeladen werden können. Der Bestand wird ständig erweitert.
Wie viele Brailletitel können monatlich heruntergeladen werden?
Jedem Nutzenden des dzb lesen stehen monatlich maximal 30 Brailletitel zum Download zur Verfügung. Zur gleichzeitigen Nutzung sind max. 5 Titel als Download abrufbar. Die Titel müssen bis zum Ablauf der Ausleihfrist von 12 Wochen über „Rückgabe“ zurückgegeben werden. Nach weiteren vier Wochen werden die Titel automatisch aus dem Konto gelöscht. Das Buch bleibt Eigentum des dzb lesen. Die Nutzenden müssen ihre ausgeliehenen Titel auf ihrem Endgerät löschen.
Wie sieht die Ausleihe konkret über den Online-Katalog Braillemedien aus? Nennen Sie die wichtigsten Schritte für einen erfolgreichen Download.
Nach erfolgreicher Anmeldung unter „Mein Konto“ empfehle ich, gleich eine Suche nach Braillemedien zu starten. Dazu können Sie den Link „Neue Suche nach Braillemedien“ unter „Meine Ausleihen“ verwenden. Sie gelangen dann direkt zum neuen Braillemedienkatalog. Dort sind alle Titel enthalten, die heruntergeladen werden können. Es gibt eine einfache und erweiterte Suche. In letzterer kann neben Autor, Titel und Buchnummer auch nach Genre, Schriftart und Erscheinungsjahr recherchiert werden. Sucht man z. B. unter dem Genre Belletristik, dann findet man über 100 Titel, die man per Download ausleihen kann. Geht man in der Ergebnisliste auf den gewünschten Titel und auf den Button „Titel ausleihen/Für Download“, wird dieser unter „Meine Ausleihen“ angezeigt und kann dann unter „Download“ heruntergeladen werden. Nach erfolgreichem Download wird unter „Meine Ausleihen“ auch der Button für „Rückgabe“ angezeigt. Die heruntergeladenen Braillebücher werden auf Ihrem Computer gespeichert. Sie müssen sie entpacken und können die Dateien dann auf andere Speichermedien kopieren. Eine ausführliche Anleitung finden Sie als PDF-Dokument auf www.dzblesen.de/bibliothek/braillemedien.
Der Download über das BliBu-Katalogprogramm funktioniert ähnlich. Was ist dann der Unterschied zum Online-Katalog?
Das BliBu-Katalogprogramm hat eine viel einfachere Nutzeroberfläche. Es gibt weniger Bedientasten, so dass die Navigation einfacher ist. Mit BliBu bewegt man sich mit Tabulator- und Pfeiltasten durch den Katalog und kommt schnell voran. Wichtig ist außerdem: Das Katalogprogramm greift auf den jeweiligen Katalog der Medibus-Bibliothek zu. Jede Bibliothek hat eine eigene Version von BliBu. Das Katalogprogramm BliBu Leipzig kann über die Internetseite des dzb lesen (Über uns/News/Downloads/Software) heruntergeladen werden.
Eine ausführliche Anleitung zum Download der Braillebücher über BliBu finden Sie als PDF-Dokument auf www.dzblesen.de/bibliothek/braillemedien.
Was sind BRL-Dateien und was ist der Unterschied zum E-Book?
Grundlegender Unterschied ist die Navigationsmöglichkeit beim E-Book. In BRL-Dateien kann man nicht navigieren. BRL-Dateien sind reine Textdateien (Braillevollschrift und -kurzschrift) ohne Inhaltsverzeichnis. Sie können auf der Braillezeile ausgegeben und gedruckt werden. BRL-Dateien sind mit jedem Textverarbeitungsprogramm nutzbar. So können sie sehr individuell und systemunabhängig verwendet werden.
Beim E-Book dagegen sind Strukturelemente eines Buches, wie zum Beispiel Überschriften, Absätze, Listen und Tabellen, im Dokument hinterlegt. Es ist deshalb sehr gut navigierbar und für jedermann über unterschiedliche Reader, aber auch auf der Braillezeile lesbar. Hier wird ebenfalls die Sprache ausgegeben, so dass das Dokument von Screenreadern lesbar ist.
Nahaufnahme
Tourismusführer: Besuchen Sie Sachsen!
Sachsen – das sind die Städte Dresden, Meißen, Leipzig, Chemnitz und Görlitz. Es sind aber auch die wunderschönen Naturlandschaften wie die Oberlausitz, das Vogtland und das Erzgebirge. Dazu gehören die vielen Schlösser, Burgen und Gärten. Mittendrin in Sachsen, in der weltoffenen und lebendigen Stadt Leipzig, hat das dzb lesen seinen Sitz. Dessen Anliegen war es, einen Reiseführer für blinde und sehbehinderte Menschen zu schaffen, in dem das Land Sachsen mit seinen traditionsreichen Städten und beeindruckenden Landschaften vorgestellt wird.
Taktiler Reiseführer als fünfteilige Reihe
„Wir wollen Interesse für und Reiselust auf unser Bundesland wecken“, sagt Anke Nordmann, die gemeinsam mit Petra Büttner die Gestaltung vorgenommen und die Reliefs angefertigt hat. „Koffer packen und los geht’s nach Sachsen! So soll es sein.“
Begonnen hat alles vor nicht allzu langer Zeit, in der das Reisen noch unmöglich war, in der Corona-Zeit. Petra Büttner suchte nach einer passenden Vorlage für den taktilen Reiseführer und fand ihn in „Sachsen“ von Kerstin Sucher und Bernd Wurlitzer, einem Reiseführer des Trescher Verlages. Daraus entstand die Idee, den taktilen Sachsenführer als fünfteilige Reihe zu konzipieren: Teil 1: Dresden, Sächsische Schweiz und Elbland, Teil 2: Oberlausitz und Zittauer Gebirge, Teil 3: Leipzig, Heide und Burgenland, Teil 4: Erzgebirge, Teil 5: Vogtland. „Jeder Band der Reihe hat einen allgemeinen Teil mit Angaben zum Klima und zur Natur sowie einer Karte zu den Regionen und einem Relief mit dem Landeswappen“, erklärt Petra Büttner.
Mehr Sehenswürdigkeiten über QR-Codes
Dass gedruckte Reiseführer in Zeiten der Digitalisierung nicht an Attraktivität verlieren, zeigt der kommerzielle Reisebuchmarkt. Und so fuhr man auch im dzb lesen zweigleisig. QR-Codes, die in den Text integriert wurden, vermitteln weitere Informationen zu Sehenswürdigkeiten. Petra Büttner blättert im handlichen Format des Reiseführers: „Die Auswahl war wirklich schwer. Welche Sehenswürdigkeiten nehmen wir in unseren Reiseführer auf, welche nicht. Wie können wir trotzdem die Vielfalt der Regionen und Städte zeigen. Da bereichern die Zusatzinformationen über die QR-Codes das Buch sehr.“ So können zusätzlich noch einmal 16 Sehenswürdigkeiten und Landschaften vorgestellt werden, die sonst keinen Platz im Reiseführer gefunden hätten, zum Beispiel die Pfunds Molkerei in Dresden, der Tharandter Wald, die Meißner Porzellanmanufaktur, die Albrechtsburg in Meißen, die Festung Königstein u. a. Wird mit dem Smartphone der QR-Code gescannt, dann ist die entsprechende Information barrierefrei zugänglich und wird vorgelesen – vorausgesetzt man hat eine QR-Code-App.
Insidertipps und klassische Highlights
Und wonach wurde nun die Auswahl der Sehenswürdigkeiten getroffen? Das Besondere am Reiseführer ist, dass neben den klassischen auch weniger bekannte Highlights in Relief und Text vorgestellt werden. Ein Insidertipp ist zum Beispiel die Kunsthofpassage in Dresden oder die Kirnitzschtalbahn in der Sächsischen Schweiz. „Wer dort wandert, kann ein Stück mit dieser Bahn fahren. Im Reiseführer erfährt man, wo sie langfährt und wo deren Haltestellen sind“, sagt Anke Nordmann. „Der Streckenverlauf mit Anfang und Ende wird im Relief abgebildet.“
Welche Sehenswürdigkeiten es in den Sachsenführer geschafft haben, hing auch davon ab, wie gut sie im Relief darzustellen waren, verrät Petra Büttner. Dabei gehört die Frauenkirche mit ihren vielen Fenstern und Türmen zu einem Relief, dessen Matrize wohl am aufwändigsten zu bauen war. Die Vorlage zur Vervielfältigung besteht aus fünf verschiedenen Höhenschichten und vielen Puzzleteilen. Schon beim Zeichnen der Vorlage müssen die Relieftechnikerinnen in 3D denken, d. h. sie überlegen, welche Schicht ganz unten liegt, welche auf diese aufbaut und welche Puzzleteile ganz oben platziert werden.
Das erste Relief von der Frauenkirche
„Damit man die Fenster gut identifizieren kann und sie sich vom Gebäude absetzen, haben wir mit Gaze gearbeitet. Mit Holzkaltleim wurden kleine Türmchen aufgetragen. Das war schon ein recht fummeliges Relief“, sagt Anke Nordmann und streicht über das transparente Relief mit darunterliegendem Foto der Frauenkirche. Petra Büttner ergänzt und meint stolz: „Das ist unser erstes Relief von der Frauenkirche.“ Beide sind sich einig, dass der Streckenverlauf der Sächsischen Weinstraße entlang der Elbe mit einem Traubensymbol für jedes Weingut viel einfacher zu bauen war als die berühmte Kirche. „Für so einen Streckenverlauf braucht man vielleicht fünf Stunden, für die Frauenkirche das Vierfache“, erklärt Petra Büttner.
„Die viele Arbeit hat sich gelohnt“
Einig sind sie sich auch, wenn es um die großen konzeptionellen und produktionstechnischen Herausforderungen des Sachsenführers geht. An dessen Herstellung waren viele Produktionszweige beteiligt. Angefangen von der Übertragung in die Brailleschrift und den Großdruck, die Herstellung der transparenten Reliefs mit unterlegten Fotos, über den Braille- und Schwarzdruck sowie die Ringbindung bis hin zur Aufsprache der Audio-Informationen für die QR-Codes im Studio und deren digitale Generierung durch die Informatik. Am Schluss testeten blinde Menschen die QR-Codes auf ihre Barrierefreiheit. „Die viele Arbeit hat sich gelohnt“, schlussfolgert Anke Nordmann. „Die kommenden Teile des Tourismusführers werden wir dank der guten konzeptionellen Vorarbeit schneller herstellen können. Ich hoffe, dass der erste Teil bei unseren Kunden und Kundinnen gut ankommt.“
In diesem Sinne besuchen Sie Sachsen! Unser Tourismusführer begleitet Sie durch unser Bundesland.
Ringbuch, 75 Seiten, Großdruck und Brailleschrift, farbige Abbildungen mit transparenten Folienreliefs, zahlreiche Zusatzinformationen zum Hören (zugänglich über QR-Codes oder Weblink), Verkauf 12042, 29,90 Euro, Ausleihe 21967
Weitere Reiseführer über Sachsen
Priska Lachmann: 111 Orte in Leipzig, die man gesehen haben muss
Wo wurde in Leipzig ein Drache besiegt, wann wurde der letzte DDR-Bürger hingerichtet, wohin kann man in einem Atomfall flüchten, und wann singen eigentlich die Thomaner? Leipzig lebt, vibriert, ist beeindruckend schön und voller Geschichten und Geheimnisse. Dieses Buch bietet 111 spannende Orte in Leipzig für Touristen und Einheimische.
CD-DAISY (06:10 h), Ausleihe 66192
Kerstin Sucher; Bernd Wurlitzer: Sachsen: mit Dresden, Leipzig, Erzgebirge, Sächsischer Schweiz.
Dieser Reiseführer macht mit allen Regionen Sachsens vertraut und vermittelt Wissenswertes zur Geografie, zur Wirtschaft, zu Festen und Traditionen. In Kurzporträts werden berühmte Sachsen wie August der Starke und Karl May vorgestellt. Viele Adressen, Tipps und Karten ermöglichen eine genaue Reiseplanung und die schnelle Orientierung vor Ort.
CD-DAISY (25:29 h), Ausleihe 56903
Tanja Kasischke: 111 Gründe, Sachsen zu lieben:
Eine Liebeserklärung an das großartigste Bundesland der Welt.
Den Typ Ostdeutschen gibt es nicht, es gibt den Sachsen. Kein anderes der neuen Länder muss für so viele Klischees herhalten. Niemand sonst sieht seine freie Meinungsäußerung so oft verlacht: Den proletarischen Berliner Dialekt finden alle süß, das Sächsische zum Wegschmeißen. Geht ja nicht anders, im Ursprungsland des Trabis. Kein Witz ist aber, dass Deutschland wegen der Sachsen so dicht dran ist am Status Land der Dichter und Denker. Und Künstler und Ingenieure. Und Reformatoren.
CD-DAISY (09:22 h), Ausleihe 41329
Einblicke
Im Studio hoch über den Wolken
Vor Kurzem erschien im dzb lesen der Roman „Kreiseziehen“ von Maggie Shipstead. Er wurde als Hörbuch produziert und von Maja Chrenko gelesen. Im Folgenden stellt die Schauspielerin und Hörbuch-Sprecherin das Buch im Interview vor und gibt Einblicke in ihre Tätigkeit als Hörbuch-Sprecherin. Das Interview führte Gabi Schulze.
Das Buch „Kreiseziehen“ spielt in zwei Zeitebenen, einmal in den 1920er bis 1950er Jahren und in den 2010er Jahren. Es erzählt von zwei Frauen: die eine, Marian Graves, entdeckt Anfang des 20. Jahrhunderts ihre Leidenschaft fürs Fliegen, die andere, Hadley Baxter, ist Hollywood-Schauspielerin und soll die Pilotin im Film spielen. Hat Ihnen das Buch gefallen?
Der Roman ist wirklich spannend, wobei das weniger die Geschichte der Hollywood-Schauspielerin ist, die die Figur der Pilotin spielt, – die fand ich viel schwächer. Viel eher hat mich die Geschichte der Pilotin Marian Graves gefesselt. Sie hat etwas Außergewöhnliches versucht, nämlich die Erde von Pol zu Pol zu umrunden. Das ist viel schwieriger als die Umrundung um den Äquator. Sie schaffte es fast. In der Antarktis soll sie und ihr Navigator Eddie verunglückt sein. Und hier fängt die Geschichte der Hollywood-Schauspielerin Hadley Baxter an, die sich intensiv mit dem Leben der Pilotin beschäftigt. So findet sie eine Person, die mit Marian verwandt ist und erfährt über diese Umwege von Graves wahrem Schicksal. Das soll hier aber nicht verraten werden.
Hinzufügen möchte ich, dass die Pilotin Marian Graves eine fiktive Person ist und auch die Umrundung der Erde hat es so nicht wirklich gegeben. Marian Graves erinnert aber an tatsächliche Pionierinnen der Luftfahrt. Interessant für mich war die Lektüre, weil ich vor langer Zeit schon einmal ein Buch über eine deutsche Pilotin gelesen hatte. Das Fliegen damals, Anfang des 20. Jahrhunderts, war etwas ganz anderes als heute. Und das Thema Frauen als Pilotinnen ist auch heute leider noch nichts Alltägliches. Durch das Buch über die deutsche Pilotin sind mir einige Namen, die im Roman „Kreiseziehen“ eine Rolle spielen, durchaus vertraut gewesen.
Charakterisieren Sie das Buch mit drei Adjektiven!
Spannend, informativ und emotional, aber nicht pathetisch.
Haben Sie beim Lesen für eine der Frauen eine besondere Sympathie entwickeln können? Wenn ja, warum?
Hundertprozentig für die Pilotin. Das liegt auch daran, dass Hadley Baxter aus der Hollywood-Filmwelt kommt, die mit meiner Auffassung vom Beruf einer Schauspielerin nicht übereinstimmt. Ich mag an der Pilotin die Zielstrebigkeit, mit der sie dorthin gehen kann, wohin sie gehen will und das tut, was sie tun möchte – auch über Umwege und schwierige Zeiten hinweg. Sie ist eine Frau, die sowohl Männer als auch Frauen begehrt und die mehrfach in die Rolle eines Mannes schlüpft, um gesellschaftlichen Konventionen zu entfliehen. Das ist konsequent und das finde ich beeindruckend. Deswegen ist mir die Pilotin viel sympathischer als die Schauspielerin, die nur so „dahinschwimmt“.
Erzählen Sie mehr über Marian Graves.
Sie ist eine ungewöhnliche Frau, weil sie von Anfang an nicht den üblichen, ihr zugeschriebenen Weg geht. Marian Graves wächst mit ihrem Zwillingsbruder Jamie bei ihrem Onkel Wallace auf. Als Kleinkinder haben sie kurz nach Ende des Ersten Weltkrieges ein Schiffsunglück überlebt. Ihre Mutter kam ums Leben, der Vater ins Gefängnis, weil er als Kapitän des Schiffes seine Kinder gerettet hat und nicht als letzter von Bord gegangen ist. Marian und ihr Bruder wachsen frei von irgendwelchen Konventionen auf. Aus dieser Freiheit erwächst ihre Zielstrebigkeit. Als sie das erste Mal Flugzeuge sieht, weiß sie, dass sie das Fliegen erlernen möchte. Marian ist ohne vorgeprägte Rollenbilder erwachsen geworden und konnte sich so geben, wie sie wirklich war. Dass Sie mit ihrer freien Lebensweise in der Gesellschaft aneckt, die für Frauen bestimmte Rollenmuster vorsieht, ist völlig klar. Auch heute noch prägen Rollenbilder in der Gesellschaft den Werdegang von Frauen und Männern.
Welche Geschichte ist ihnen in diesem Buch besonders in Erinnerung geblieben?
Oh, da sind mir mehrere in Erinnerung geblieben. Vielleicht ist es die Geschichte, in der erzählt wird, wie Marian Graves in der Antarktis ihren Navigator, die Person, die beim Fliegen für die Navigation zuständig ist, zurücklassen muss. Es ist unklar, ob sie es mit der Maschine bis nach Neuseeland schafft, weil es für diese Strecke kaum verlässliche Karten gab und eine Orientierung kaum möglich war. Er überredet sie, allein loszufliegen, hilft ihr den Flug vorzubereiten, bleibt aber bewusst zurück und weiß damit, dass er sterben wird. Die Szenen haben mich sehr berührt. Da habe ich ehrlich beim Lesen die ganze Zeit ein bisschen gefroren.
Wie haben Sie sich auf die Lesungen in Studio vorbereitet?
Zur Vorbereitung lese ich meist die ersten 50 bis 100 Seiten eines Buches. Dann habe ich ein Empfinden für die Atmosphäre des Romans und damit für die Art des Sprechens, weil ich natürlich ein Sachbuch anders spreche als einen Krimi oder dieses Buch. Da gibt es schon Nuancen in der Stimme, die man einsetzt oder nicht einsetzt. Auf dem Weg ins Studio mache ich ein paar Stimmübungen, um vor allem früh die Stimme locker zu bekommen. Ansonsten ist es die lange Erfahrung, die ich als Sprecherin im Studio habe. Im November werden es 26 Jahre.
Nun hat das Buch einen Umfang von 900 Seiten. Ein ganz schöner Wälzer! Wie viele Sitzungen hatten Sie im Studio?
Das ist schwer zu sagen. Mit 12 bis 13 Sitzungen á drei Stunden müsste es so ungefähr hinkommen.
Sie sind selbst Schauspielerin und arbeiten freischaffend. Welche Rolle der beiden Frauen würden Sie gern spielen und warum?
Ich würde schon die Marian lieber spielen. Wobei interessanter wäre es, die Schauspielerin zu probieren, weil sie das Gegenteil ist. Ich arbeite freiberuflich als Schauspielerin, führe also selbst Regie. Wenn ich jemand völlig anderen spiele, brauche ich einen Regisseur, jemanden, der auf mich von draußen „draufguckt“. Selbst Schauspieler sind sich ihrer Wirkung nicht hundertprozentig bewusst.
Wann haben Sie eigentlich gemerkt, dass Sie Schauspielerin werden wollen? Gab es da ein bestimmtes Schlüsselerlebnis?
Ja, das gab es. Ich habe nach der 10. Klasse den Beruf eines Wirtschaftskaufmanns erlernt. In der Berufsschule fand sich eine kleine Gruppe zusammen, die Laientheater spielte. Wir haben es „Jugendtheater“ genannt und lange Zeit in Berlin-Pankow Aufführungen gegeben. Unter anderem führten wir „Antigone“ auf. Ich spielte mit 18 Jahren die Hauptrolle der Antigone. Bei einer der Aufführungen hat ein in der DDR durchaus bekannter Schauspieler vom Deutschen Theater zugeschaut. Und der hat hinterher zu mir gesagt, ich solle mich doch an der Schauspielschule bewerben. Da dachte ich, das mache ich. Es hat beim zweiten Anlauf geklappt und dann habe ich vier Jahre in Rostock studiert.
Vielen Dank, Frau Chrenko, für das Interview!
Gelesen und empfohlen
Eine Familie auf der Suche nach Zuhause
„Dschinns“ von Fatma Aydemir empfohlen von Sandra Riedel (Praktikantin)
Im stickigen Regionalexpress zwischen Wien und Budapest kam mir die Idee, ich könne mich ja bereits auf unsere Destination einstimmen, indem ich einen Roman lese, der dort spielt: Unsere Reise führte mit dem Zug nach Istanbul. Es gibt so einige gute Bücher über die Millionenstadt am Bosporus, doch „Dschinns“ war mir bis dahin wärmstens empfohlen worden. Der 2022 erschienene Roman der Autorin Fatma Aydemir handelt von der sechsköpfigen, deutsch-kurdischen Familie Yilmaz. Und er beginnt – so stellte ich in freudiger Erwartung auf meine Reise und die kommenden Kapitel fest – mit dem hoffnungsvollen Neuanfang des Familienvaters Hüseyin, der sich nach 28 Jahren der Schufterei als Gastarbeiter in Deutschland den Traum der Eigentumswohnung in der Türkei erfüllt. Er steht in seiner neuen Wohnung in Istanbul – und stirbt an einem Herzinfarkt. Mit diesem brachialen Zynismus zieht uns die Autorin ab dem ersten Kapitel in ihren Bann. Alle Familienmitglieder werden nacheinander feinfühlig vorgestellt: die Eltern und ihre vier Kinder mit derartig gegensätzlichen wie verwobenen Geschichten, die durch präzise Sezierung ihrer Perspektiven migrantisches Leben in Deutschland individuell greifbar machen. „Dschinns“ ist so fesselnd, schockierend und hochpolitisch, dass ich das Buch lange vor Istanbul verschlungen hatte. Und so vergaß ich während der Reise glatt, dass man von der Stadt im Roman nicht viel mitbekommt – und dennoch eine Ahnung davon erlangt, warum Hüseyin so gerne dorthin wollte.
CD-DAISY (12:12 h), Ausleihe 58884
Technik getestet
Der Handy-Recorder H2 Essential
Seit 2007 gibt es die semiprofessionellen Handy-Recorder der japanischen Firma ZOOM. Auch von blinden und sehbehinderten Menschen werden diese Geräte gern verwendet, weil sie recht einfach zu bedienen sind und eine sehr gute Audioqualität besitzen. Doch mangelte es bisher sehr an der Barrierefreiheit, mehr als bei den Geräten der Firma Olympus. Das hat sich nun mit dem H2 Essential, der seit Ende 2024 auf dem Markt ist, deutlich geändert. Zwar sind auch bei dem H2 Essential noch viele Wünsche in Sachen Audio-Menüführung offen, dennoch lässt sich das Gerät von stark sehbehinderten und vielleicht auch geübten blinden Anwendern bedienen.
Eine Vielzahl an Vorteilen gegenüber Vorgängermodellen
Gute Audioaufnahmen zu erstellen, sie zu bearbeiten und zu archivieren, das ist gerade für blinde und sehbehinderte Menschen, die auf akustische Kommunikation angewiesen sind, sehr wichtig. Das H2 Essential hat unabhängig von der Barrierefreiheit gegenüber seinen Vorgängern eine Reihe von Vorteilen. Der Mini-USB-Anschluss, von der Zeit eh schon etwas überholt, wurde durch einen USB-C-Anschluss ersetzt. Es gibt nun endlich auch einen Lautsprecher, um mal schnell ohne Kopfhörer in eine Aufnahme hineinzuhören. Wenn man eine Aufnahme startet, ist man sofort dabei, es wird nicht erst die Bereitschaft aktiviert. Das ist für spontane, schnelle Aufnahmen besonders gut. Das immer schlecht erkennbare Display ist durch ein kontrastreiches, besonders für sehbehinderte Menschen gut sichtbares LED-Display ersetzt worden. Sicher sind auch für mich nicht alle Informationen auf dem Display lesbar, weil sie einfach zu klein sind. Aber da hilft unterstützend die Sprachführung. Bei Auslieferung ist der installierte Audioguide auf Englisch, man kann aber über die Internetseite von ZOOM die deutsche Version über den PC auf das Gerät spielen. Leider liest der Audioguide nicht alle Ebenen vor. Zum Beispiel werden, wie auch schon bei den Olympus- und bei den Vorgängerversionen des H2 Essential, Dateinamen und Länge der Audiodateien nicht vorgelesen. Dennoch kann man sich größtenteils auf dem Gerät blind zurechtfinden.
Drei Mikrofone und neue Aufnahmemodi
Alle Tasten sind ausgesprochen gut fühlbar. Unterhalb des Displays gibt es zwei Tastenreihen, einmal vier und einmal fünf Tasten. Sie dienen zum Navigieren, Wiedergeben und für Menüeinstellungen. Wenn man das Gerät an der rechten Seite mit einem Schieberegler einschaltet, landet man im Homescreen. Man wird mit der akustischen Information begrüßt, dass man sich im Aufnahmemodus befindet, wie viel Speicherplatz vorhanden ist, wie der Batteriestand ist und welche Mikrofone aktiv sind. Die Mikrofone und die Aufnahmetaste befinden sich auf der Oberseite des Gerätes. Das H2 Essential hat drei Mikrofone, zwei Nieren-Stereomikrofone und ein bidirektionales Mikrofon. Dank einfachem Tastendruck ist die Ausrichtung auf 120 bzw. 90 Grad und Mono möglich. Insgesamt kommt man auf neun Aufnahmemodi. Die Zuschaltung bzw. Abschaltung der einzelnen Mikrofone wird angesagt und auch deutlich angezeigt. Durch die vielfachen Kombinationsmöglichkeiten ist das Gerät unheimlich flexibel. Ein externes Mikrofon kann außerdem angeschlossen werden. Die Mikrofone können über den Mixer einzeln eingerichtet und angepasst werden. Eine manuelle Aussteuerung vor Aufnahmebeginn ist nicht mehr notwendig. Dank eingesetzter 32-Bit-Float-Technologie ist eine Übersteuerung oder zu leise Aufnahme nicht mehr möglich, der Pegel wird automatisch eingestellt. Das ist ziemlich einzigartig in dieser Klasse von Audiorekordern.
Speicherkarten bis zu einem Terrabyte
Natürlich kann man das H2 Essential an den PC anschließen. Man kann es auch als Audiointerface für IOS- und Android-Geräte verwenden. Das habe ich nicht getestet. Mir persönlich ist vor allem die Aufnahmefunktion für Interviews und Audiomitschnitte aller Art wichtig. Die Audiodateien werden mit dem aktuellen Datum versehen. Ein bisschen schade finde ich, dass mir nicht gelungen ist, eine Dateistruktur auf dem Gerät anzulegen. Es gibt einen Papierkorb, ansonsten werden die Dateien nacheinander aufgelistet. Man kann sie dann natürlich am PC sortieren. Im Gerät werden Speicherkarten bis zu einem Terrabyte erkannt, MicroSDHC und MicroSDXC.
Natürlich kann man heutzutage sehr gute Audioaufnahmen mit dem iPhone oder auch einem Android-Gerät machen. Ich persönlich ziehe aber für meine Tätigkeiten im Bereich Audioaufnahmen, für Podcasterstellung oder Interviews, für Live-Mitschnitte und Audiotagebücher ein separates Aufnahmegerät vor.
Hier an dieser Stelle konnte ich nur einen groben Überblick zur Funktionalität des Gerätes geben. Man lernt schnell die grundlegenden Funktionen. Ich habe mir die Bedienungsanleitung als PDF-Datei auf dem Handy gespeichert und kann sie mir mit einer geeigneten App vorlesen lassen. Der deutschsprachige Audioguide und die Bedienungsanleitung sind unter https://zoomcorp.com im Internet zu finden.
Gern beantworte ich Ihre Fragen, die vielleicht beim Lesen dieses Beitrages aufgetaucht sind. Und natürlich ist unser Technikteam LOUIS am Telefon und per Mail jederzeit für Sie da, unter louis@dzblesen.de oder 0341 7113/-200, -179, -115.
Fragebogen
Sechs Fragen – sechs Antworten
Was ist Ihre Aufgabe im dzb lesen?
Ich bin im dzb lesen Vorleser/Korrekturleser. Ich lese zusammen mit einem blinden Kollegen in Brailleschrift übertragene Bücher und Zeitschriften Korrektur. Fehler, die uns auffallen, schreiben wir in eine Liste und senden diese dann zur Einarbeitung an die Übertragerin. Außerdem übertrage ich Bücher im Großdruck, lese ab und an auch im Großdruck Korrektur.
Welche Arbeit haben Sie gerade auf dem Tisch?
Für den Großdruck erstelle ich gerade die Medici-Reihe von Matteo Strukul, die sich mit der Familie der Medici in Florenz im Mittelalter beschäftigt. Zusammen mit einem blinden Kollegen lese ich gerade die Autobiografie „Freiheit“ von Angela Merkel Korrektur.
In meiner Freizeit beschäftige ich mich am liebsten mit …
Trotz des beruflichen Lesens lese ich auch privat sehr gern, bewege mich gern in der Natur, gehe zu Konzerten, zum Handball und zum Fußball.
Welche drei Dinge würden Sie auf eine Insel mitnehmen?
Ein Radio, eine Bücherkiste und Kaffee.
Haben Sie ein Buch, das Sie empfehlen können?
Für sehr lesenswert halte ich „Mein Leben“ von Marcel Reich-Ranicki (Ausleihe 5737), ein sehr bewegendes ausdrucksstarkes Buch. Aber es gibt so viele gute Bücher.
Ihr Lebensmotto?
Lebe dein Leben, schaue dich um, entdecke die Möglichkeiten.
Rätsel
Machen Sie mit und gewinnen Sie!
Wir wollen wissen: Wie heißt der neue Fortsetzungsroman, der ab Juni 2025 abonniert werden kann?
Schicken Sie Ihre Antwort bis zum 11. August 2025 per E-Mail (presse@dzblesen.de) oder per Post an: dzb lesen, Kennwort: Rätsel „in puncto dzb lesen“, Gustav-Adolf-Straße 7, 04105 Leipzig.
Das können Sie gewinnen: Spielebuch „Der Moral-o-mat“
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des dzb lesen können nicht teilnehmen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Auflösung aus 1/2025
Die richtige Antwort lautet: Schnall dich an, es geht los.
Die glückliche Gewinnerin heißt: Anita Schachinger. Herzlichen Glückwunsch!
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